In guten wie in toten Tagen
war.
16
Samstag. Heute war der Tag, an dem Helenas und Toms Hochzeit stattgefunden hätte. Der Tag, dem ihre Schwester seit Monaten entgegengefiebert hatte, auf den sie sich im Grunde ihr ganzes Leben gefreut hatte. Und dann hatte jemand Tom erschlagen und ihren Traum zerstört und hatte Helenas Leben ruiniert. Und Caras Leben gleich mit.
Am Morgen kam ein Kurier mit der Hochzeitstorte, die Frau Fliedner vergessen hatte abzubestellen. Drei Schichten Biskuitteig mit Buttercremefüllung und Marzipanröschen und Sahnetupfern und einem Plastik-Bräutigam, der seine Plastikbraut umarmte. Und wenn sie nicht ermordet wurden, dann küssen sie sich noch heute.
Frau Fliedner brachte das Paket zur Nachbarin, die sich zuerst sträubte und die Torte dann doch entgegennahm.
Na gut, wenn es Ihnen wirklich recht ist.
Natürlich. Lassen Sie es sich’s schmecken, guten Appetit.
Danach setzte sich Frau Fliedner in die Küche und weinte und Cara verschwand in ihrem Zimmer und dachte über ihre Unterhaltung mit Frau Seidelmann nach. Und ob es stimmte, was sie gesagt hatte. Dass Tom und Helena nicht zusammengepasst hatten.
Ich war überzeugt, dass die beiden kurz vor der Trennung standen.
Tom und Helena hatten sich aber nicht getrennt. Sie hatten ihre Hochzeit geplant mit Pfarrer und Kirche und Brautkleid und Kutsche und weißen Tauben und einer dreistöckigen Torte und hundert Gästen. Obwohl sie sich gar nicht mehr richtig geliebt hatten, wenn man Frau Seidelmann glaubte.
Vielleicht haben sie es nur wegen dem Baby gemacht, überlegte Cara. Weil Helena schwanger ist.
Dann fiel ihr wieder ein, was Frau Seidelmann über Tom und ihren Vater gesagt hatte. Dass sich die beiden verabscheut hatten. Cara versuchte sich zu erinnern, wie die Männer miteinander umgegangen waren. Und wurde sich bewusst, dass sie Tom und ihren Vater nicht ein einziges Mal zusammen erlebt hatte. Sie hatte ihren Vater in den Monaten vor Toms Tod nur sehr selten gesehen.
Helena hatte nie von Spannungen oder gar Streit zwischen Tom und ihrem Vater erzählt. Oder hatte Cara ihre Andeutungen überhört, weil sie es einfach nicht wahrnehmen wollte?
Ich sollte Papa anrufen und fragen, dachte Cara. Und bekam sofort eine Gänsehaut. Alles, nur das nicht.
Es war ja auch sinnlos. Sie wusste von vorneherein, wie ihr Vater reagieren würde. Verdächtigst du jetzt etwa mich?, würde er fragen. Das ist lächerlich, Cara, absolut lächerlich. Und danach würde er sich weigern, über dieses Thema zu reden.
Das Gespräch konnte sie sich sparen. Aber die Frage blieb natürlich im Raum stehen: Welche Beziehung hatten ihr Vater und Tom gehabt?
Cara ging nach unten zu ihrer Mutter, die inzwischen aufgehört hatte zu weinen und im Wohnzimmer vor dem Fernseher saß. Über den Bildschirm flimmerte eine Talkshow. Eine fette Frau lachte hysterisch. Als Cara den Raum betrat, fuhr Frau Fliedner schuldbewusst zusammen, griff zur Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus.
»Lass doch, ist schon okay«, sagte Cara. »Ich wollte dich nur mal was fragen.«
»Was denn?«
»Papa und Tom. Haben sich die beiden eigentlich gut verstanden?«
»Was ist das denn für eine Frage?«
»Hat Papa Tom überhaupt gemocht? Ich meine, war er ihm gut genug für Helena? Ich hab gehört, dass die beiden einander nicht ausstehen konnten.«
»Wer erzählt denn so was?«
»Ist doch egal. Ist da was dran?«
»Natürlich nicht.« Frau Fliedner verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich meine, es gab natürlich Meinungsverschiedenheiten. Dann und wann. Du kennst doch deinen Vater.«
Cara unterdrückte eine bissige Bemerkung. »Worüber haben sie sich gestritten?«
»Gestritten ist zu viel gesagt. Dein Vater ist eben ein sehr dominanter Mensch.«
Cara nickte. Das war ja nun nicht gerade neu.
»Und er sollte die ganze Hochzeit bezahlen. Da wollte er natürlich auch mitreden.«
»Und das hat Tom nicht gepasst?«
Ihre Mutter wand sich wie ein Wurm am Haken. Nichts gegen meinen Exmann, auch wenn er mich wie einen Haufen Dreck behandelt hat. »Jedenfalls kann man wirklich nicht sagen, dass sie sich nicht ausstehen konnten.«
»Aber gemocht haben sie sich auch nicht.«
Frau Fliedner trat ans Fenster, drehte ihr den Rücken zu und blickte hinaus. »Was soll ich denn sagen? Frag ihn doch selbst. Oder Helena.«
»Das werd ich auch tun«, sagte Cara.
»Heute hätten sie geheiratet«, flüsterte ihre Mutter. Sie schlug die Hände vors Gesicht, nach einer Weile begannen ihre Schultern zu zucken und
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