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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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meinen Verdacht gegen sie wusste. Und ja, so absurd es auch klingt, ich hatte Angst, sie könnte mich auf irgendeine Weise infizieren, so dass ich sie nie wieder loswürde. » Martin Crosbie war in dem Boot«, sagte ich. » Ich habe ihn gesehen …«
    » Martin Crosbie?«
    » Der aus der Hytte.«
    » Und du hast ihn gesehen?«
    » Ja.«
    » Und was ist mit ihm passiert?« Mutter war jetzt verwirrt. Sie merkte, dass irgendwas nicht stimmte, glaubte offenbar aber nicht, was ich sagte. Wie konnte Martin Crosbie im Boot gewesen sein, wenn er jetzt doch nicht mehr da war? Wäre er ins Wasser gefallen, hätte er um sein Leben gekämpft, hätte um Hilfe gerufen, hätte versucht, sich zu retten. Das hatte er aber nicht. Niemand hatte geschrien oder gekämpft. Das wusste ich auch, und zum ersten Mal zweifelte ich an mir selbst. Was hatte ich durch das Fernglas gesehen? Hatte ich geträumt? » Er kann nicht einfach verschwunden sein …« Mutter drehte sich zu Maia um und wollte ihre Version der Ereignisse hören . Ich verstand ihre Beweggründe. Was immer ich auch gesehen hatte, hatte ich aus großer Entfernung gesehen, während Maia die ganze Zeit hier gewesen war.
    Nur war Maia fort. Ich wusste es gleich, als ich Mutters Blick sah, sobald sie sich wieder umwandte – ein Blick, der eher Verblüffung als Überraschung verriet. Mutter runzelte die Stirn. Vielleicht begann sie, dies für einen jugendlichen Streich zu halten. Sie schaute mich an. » Wer war dieses Mädchen?«, fragte sie. » Kennst du sie?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte nicht über Maia reden, nicht hier, direkt am Wasser, auf dem sich das Boot noch immer langsam in der Strömung drehte, hier, wo ich zu spüren meinte, dass Martin noch irgendwo da draußen unter Wasser dahintrieb, nur wenige Meter weit fort, doch jenseits aller Rettungsversuche.
    » Nun, kennst du sie?«, fragte Mutter noch einmal. Sie klang unbekümmert, so, als wäre nichts Schlimmes passiert.
    Ich schaute sie an. » Ja. Sie ist die … sie war eine Freundin der Sigfridssons.«
    Sie starrte mich an. » Der Sigfridssons?«
    » Ja«, wiederholte ich und wusste plötzlich, warum sie so ruhig wirkte. Sie nahm an, dass mir dieses Mädchen einen Streich gespielt hatte. Sie dachte, ich hätte mir dies alles nur ausgedacht und litte noch unter den rätselhaften Unfällen meiner Schulfreunde, unter Prüfungsstress, darunter, dass ich mich nicht entscheiden konnte, was ich mit meinem Leben anfangen wollte. Was natürlich lachhaft war – außerdem musste sie gewusst haben, dass Mats und Harald nicht meine Freunde gewesen waren; ich hatte nämlich keine Freunde. Auch das wusste sie. Sie wusste es und hatte all die Jahre nichts daran auszusetzen gehabt, was mir durchaus zupass kam, auch wenn es eine Mutter doch hätte seltsam finden müssen, dass mein einziger Freund ein alter Mann war, der am Wasser wohnte und verrückte Geschichten über Bauernjungen erzählte, die an helllichtem Tage loszogen, Wasser zu holen, und nie mehr heimkehrten, oder von Babys, die Trollen aus ihren Bettchen gestohlen wurden. Sie beobachtete mich aufmerksam, und noch ehe sie den Mund öffnete, wusste ich, was sie als Nächstes sagen würde. Ich will damit nicht andeuten, dass sie sich um mich keine Sorgen machte, aber darum ging es eigentlich auch nicht. Es ging darum, dass sie mir nicht glaubte. » Weißt du wirklich genau, was du gesehen hast?«
    » Ja.«
    » Die Sommernächte können einem Streiche spielen …«
    » Was ich gesehen habe, habe ich gesehen.«
    » Na gut«, sagte sie und legte eine Hand auf meinen Arm, gleich unter dem Ellbogen. » Wir müssen jetzt zurück nach Hause. Du stehst noch unter Schock …«
    » Nein, wir müssen Hilfe holen …«
    » Zurück nach Hause«, wiederholte sie, ging los – und ich wusste, dass sie mir nicht glaubte. Ihr war wieder eingefallen, wie ich nach meiner Rückkehr aus England gewesen war, und sie hatte längst entschieden, dass es mir nicht gut ging. Denn es gab natürlich keine andere Erklärung für das, was ich gesehen hatte. Überhaupt keine Erklärung – Wahnvorstellungen ausgenommen.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Natürlich hatte sie recht. Es war nicht besonders sinnvoll, am Ufer zu warten und aufs Wasser zu starren – aber ich wollte nicht zurück. Das war, als gäbe ich auf. Als ließe ich die Hand eines Ertrinkenden los und würde mich von ihm abwenden, während er hinab in die Tiefe glitt. Ich sah zu dem auf dem Wasser dümpelnden Boot. Wie

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