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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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Thompson. Ich glaube, sie lebt mit ihm zusammen.«
    » Aha.«
    » Sie hat mir ein Geschenk geschickt …«
    » Was für ein Geschenk?«
    Ich schüttelte den Kopf. » Ein Buch.« Ich sagte nicht, dass es ein Buch von Arild Frederiksen war, doch bin ich mir sicher, dass sie es erriet. Sie beugte sich vor, stützte sich mit den Ellbogen auf dem Tisch ab, umschmiegte die Kaffeetasse mit beiden Händen und führte sie an die Lippen. » Und jetzt will sie, dass ich ihn besuche«, fuhr ich plötzlich fort, obwohl ich gar nicht vorgehabt hatte, davon zu erzählen. Ich wollte eigentlich nichts überstürzen – doch spürte ich gleich, dass sie mit etwas Ähnlichem gerechnet hatte. » Offenbar geht es ihm nicht gut. Er liegt im Krankenhaus. Sie glaubt, es könnte helfen … wenn ich ihn besuche.«
    » Ich verstehe. Und was hast du gesagt?«
    » Gar nichts«, erwiderte ich und war ein wenig schockiert, weil sie annahm, ich hätte auf Kate Thompsons Brief geantwortet, ohne zuvor mit ihr darüber zu reden – denn ich fand es in Ordnung oder doch fast in Ordnung, den Brief selbst geheim zu halten, aber stillschweigend darauf zu antworten, wäre mir wie Verrat vorgekommen. » Ich habe ihr nicht geschrieben; ich wollte nicht …«
    Sie neigte leicht den Kopf zur Seite und sagte » Ja«, unterbrach mich, um mir zu zeigen, dass sie mich verstand, dann musterte sie mich mit einem liebevollen und überraschend zärtlichen Blick. Es lag etwas wie Mitleid in diesem Blick, nur war es nicht genau Mitleid, aber auch nicht bloß Zärtlichkeit. » Weißt du, du musst irgendwas antworten. Alles andere wäre unhöflich.«
    Ich lachte. » Unhöflich?«
    » Ja. Egal, wie du dich entscheidest, einfach ignorieren kannst du den Brief nicht …«
    » Warum denn nicht? Er hat mich schließlich achtzehn Jahre lang ignoriert, oder nicht?«
    Darauf gab sie keine Antwort. Sie blickte beiseite, als wollte sie mir Zeit geben, mich wieder zu fassen – dabei war ich gar nicht verärgert, und ich glaube auch nicht, dass ich aufgebracht geklungen habe. Und wenn doch, war das nicht beabsichtigt, denn ich hatte nur das Offensichtliche festgestellt. Sie setzte die Tasse ab und lehnte sich zurück. » Offenbar hat er dich nicht selbst gebeten«, sagte sie nach einer Weile, » sondern diese Frau, diese Kate Thompson.«
    » Stimmt«, erwiderte ich. » Aber er ist es, der im Krankenhaus liegt …«
    » Und wo ist dieses Krankenhaus?«
    » In England.«
    » Da lebt er jetzt?«
    » Ja, aber …«
    » Das überrascht mich«, sagte sie. » Ich hätte nicht geglaubt, dass er da mal enden würde.« Sie dachte einen Moment nach, dann blickte sie auf. » Es liegt ganz an dir«, sagte sie. » Wenn du ihn in England besuchen willst, ist das für mich in Ordnung …«
    » Ich will aber nicht hin …«
    » Vielleicht wäre es ganz gut«, fuhr sie fort, ohne direkt zu widersprechen, auch wenn sie gleichsam an mir vorbeiredete, ein wenig zu sanft, wie ich fand – und ich merkte, dass sie ihre Entscheidung bereits getroffen hatte, nicht dass ich unbedingt fahren sollte, sondern dass sie mir keinesfalls im Weg stehen würde. In ihren Überlegungen schien es keinen Platz dafür zu geben, dass ich mit meinem kranken Vater vielleicht nichts zu tun haben wollte. Nachdem sie mir nahezu alles über ihn verschwiegen hatte, die bloßen Tatsachen seiner Existenz und ihrer kurzen gemeinsamen Zeit ausgenommen, schien sie nun fast darauf zu drängen, dass ich zu einer vermeintlich bedeutungsvollen Begegnung mit einem Fremden aufbrach, da sie annahm, mein mangelndes Interesse sei nur vorgetäuscht, um ihre Gefühle nicht zu verletzen.
    » Wie könnte es etwas Gutes sein?«, fragte ich jetzt verärgert, was ich auch nicht verheimlichen konnte. » Ich kenne ihn ja nicht einmal – und ich will ihn auch gar nicht kennenlernen.«
    » Er ist krank«, sagte sie.
    » Mir egal«, sagte ich. » Er bedeutet mir nichts. Überhaupt nichts.«
    Mutter legte eine Hand auf meinen Arm. » Ist ja schon gut«, sagte sie. » Reg dich nicht auf …«
    » Tu ich doch gar nicht. Es ist nur …«
    » Pssst.« Sie tätschelte sanft mein Handgelenk. » Ist ja alles in Ordnung. Ich war bloß …« Sie dachte kurz nach, dann nahm sie die Hand fort. » Es ist okay, wenn du nicht fahren willst«, sagte sie, » allerdings finde ich, dass du seiner Freundin schreiben und ihr Bescheid geben solltest.« Sie lehnte sich zurück, weg von mir. » Wenn nicht ihr zuliebe, dann doch dir zuliebe.«
    ***
    Den Rest des Nachmittags

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