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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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ist?«, fragte ich.
    Er schaute mich an. » Hm?«
    » Du musstest an was denken …«
    » Ach so«, er lächelte und schüttelte den Kopf. Nicht traurig. Kein bisschen traurig, dachte ich. » Nein, jedenfalls an nichts Bestimmtes. Es ist nur … ich sehe sie immer vor mir, wenn ich diese Verse lese.« Seine Augen strahlten, und er sah so glücklich aus wie schon lange nicht mehr. So glücklich wie ein betagter gläubiger Mann, der am Sonntagmorgen aus der Kirche kommt. » Diese alten, goldenen Worte haben ihre Kraft bis heute behalten.«
    Ich wiegte den Kopf. » Du hast mir doch gesagt, ich soll den Text nicht lesen«, erwiderte ich – und schämte mich im selben Moment, als hätte ich irgendwas Blasphemisches gesagt.
    Er aber hatte mich gar nicht gehört. » Ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen«, sagte er , und ich merkte ihm an, dass er in Gedanken bei Mutter war, weit fort, in einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, doch hatte ich meine Gelegenheit verpasst, und jetzt war ich mir nicht einmal mehr sicher, ob ich es wirklich wissen wollte.

***
    Als ich nach Hause kam, lag auf dem Küchentisch ein kleines, adrettes, auf herkömmliche Weise in dickes, braunes Papier geschlagenes und mit einer weißen Schnur umwickeltes Päckchen, darin ein Buch: Zu Fuß nach Patagonien von Arild Frederiksen. Es enthielt keine Widmung, doch lag zwischen Buchdeckel und schlichtem, dunklem Vorsatzblatt ein Umschlag mit einer einzigen, getippten Seite von Kate Thompson. Ganz wie der vorherige Brief, nur mit dem Unterschied, dass sie in diesem Schreiben fragte – derart behutsam formuliert, dass sie überhaupt nichts zu erbitten schien –, ob ich nicht in Betracht ziehen könnte, besagten Arild Frederiksen zu besuchen, der immer noch im Krankenhaus liege . Ich weiß, dies kann nicht einfach für Sie sein, schrieb Kate Thompson, und ich erwarte auch nicht, dass Sie alles stehen und liegen lassen und gleich hereilen, doch würde es ihm wirklich sehr viel bedeuten, wenn Sie bald kommen könnten. Ich besorge Ihnen auch gern eine Unterkunft und komme natürlich für die Flugkosten auf; es liegt ihm wirklich viel daran, dass Sie ihn besuchen.
    Ich steckte den Brief zurück in den Umschlag und legte ihn wieder ins Buch. Eigentlich war ich nicht besonders überrascht. Ich hatte von Anfang an gewusst, dass dies irgendwohin führen würde, und was läge näher als ein Treffen? Mich überraschte nur, dass die Bitte so bald kam, vor allem, wenn man bedenkt, dass ich auf Kate Thompsons ersten Brief gar nicht geantwortet hatte. Und noch stärker überraschte mich ihre Annahme, dass ich meinen Vater sehen wollte, dass ich zumindest neugierig auf ihn war, darauf, was für ein Mensch er wohl sein mochte. Ich war aber gar nicht neugierig. Nicht im Mindesten. Ich wollte nichts über ihn wissen. Ich drehte und wendete das Buch. Es war ein schweres, in Leinen gebundenes Werk mit einer Deckblattillustration, die einen Vogelschwarm – was für Vögel, konnte ich nicht erkennen – über einer weiten, leeren Landschaft zeigte; auf der Innenseite des hinteren Einschlags entdeckte ich ein Schwarzweißfoto des Autors. Arild Frederiksen war ein jungenhafter, selbstbewusster Mann um die dreißig – zumindest war er das einmal gewesen – mit schmutzigblondem, ziemlich langem, aus dem Gesicht gekämmtem Haar, eine Frisur, die mich an Aufnahmen von französischen Intellektuellen aus den sechziger Jahren erinnerte. Er lächelte nicht, wirkte aber auch nicht sonderlich ernst. Am ehesten sah er noch wie jemand aus, der sich bemühte, nicht bei dem Gedanken zu lachen, dass er für ein Autorenfoto posieren sollte. Nur war das nicht weiter wichtig angesichts der offenkundigen Ähnlichkeit, die ich in seinem Gesicht mit jenem Gesicht entdeckte, das mir tagtäglich aus dem Spiegel entgegensah, und mit einem leisen Anflug von Entsetzen wurde mir klar: Es bestand kein Zweifel daran, dass er mein Vater war. Nicht der geringste Zweifel, und deshalb habe ich den Brief Mutter gezeigt.
    ***
    Mutter war im Garten. Seit Frank Vernes Abreise hatte sie beinahe unablässig gemalt, doch gönnte sie sich jetzt eine Pause im lang gezogenen Steingarten an der Haussüdseite, zupfte Unkraut und genoss die Sonne. Eine mit sich und der Welt zufriedene Frau. Der Steingarten war ihr Lieblingsort, vielleicht weil es so viel Zeit und Mühe gekostet hatte, ihn anzulegen. Hier wuchsen die schönsten Blumen in einem Pflanzschema, das sich vom warmen, schwefligen Gelb und Gold über

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