In ihrem Blut: Thriller (German Edition)
umsah, stand die alte Dame direkt hinter ihr und hatte den Kopf so weit zu Berlin umgedreht, wie es ihr möglich war.
»Kalt, was?«, sagte Berlin.
Die Lippen der alten Dame bewegten sich zunächst lautlos rund um ihr falsches Gebiss. »Verpiss dich, du Junkie-Fotze!«, konnte sie schließlich ausspucken.
Berlin starrte sie regungslos an und schwieg. Die alte Dame klammerte sich an ihr Gefährt, ihr Körper zitterte vor Anstrengung.
»Das ist ein verdammter Kinderspielplatz! Ich hab die Schnauze voll von euch, immer hängt ihr hier rum und lasst eure beschissenen Spritzen überall rumliegen. Also verpiss dich!«
Bevor Berlin mit dem Vorschlag reagieren konnte, wo die alte Dame sich ihrer Meinung nach den Einkaufswagen hinstecken sollte, erhaschte sie bei den Wohnungen eine Bewegung. Die Haustür von Nummer 14 hatte sich geöffnet. Eine dicke Gestalt stürmte in den kalten Morgen.
Berlin eilte zum Parktor. Sie würde Doyle folgen, herauskriegen, wer seine Opfer waren, und sie dann dazu kriegen, ihr zu bestätigen, dass das Doyle war. Danach würde sie herausfinden, welche Verbindung zwischen ihm und Juliet Bravo bestand. Sie war eine private Ermittlerin und konnte sich nicht den Luxus leisten, ihn vom Fleck weg zu verhaften.
Die alte Dame sah ihr verwundert und erfreut nach. Sie brachte ihre Zähne wieder in die Ausgangsstellung. »Na bitte, die brauchen einfach nur eine klare Ansage!«, beglückwünschte sie sich selbst und richtete sich etwas auf.
Berlin sprintete zum Tor, den Blick immer noch auf die Haustür gerichtet. Der Mann hob die Hand, um jemanden zu grüßen, und die fahle Sonne ließ seine schweren Goldringe aufblitzen. Ihr wurde bewusst, dass sie diese Hände schon einmal gesehen hatte; das feiste Gesicht auf den Fotos hatte bei ihr nichts klingeln lassen, aber die Wurstfinger mit Siegelringen, antiken Eheringen und Schlangenringen waren unvergesslich.
Der Mann verschwand kurz in einem der beiden Treppenhäuser. Berlin ging langsamer, reckte den Kopf und sah ihn im nächsten Stock auftauchen. Bestimmt war das Doyle.
Sie bemerkte die drei Hoodies, die das Parktor versperrten, erst, als sie sie fast schon berührte. Sie ging weiter und erwartete, dass die Kerle zur Seite treten würden, aber sie rührten sich nicht. Gezwungenermaßen hielt sie abrupt an.
»Tschuldigung«, sagte sie atemlos.
Die stumpfen, stecknadelgroßen Pupillen der Jungen blickten sie aus der Tiefe ihrer Kapuzen an. Sie umringten sie; sie waren nicht größer, aber drahtige Straßenkämpfer. Und sie waren zu dritt.
»Gib’s her«, knurrte einer.
»Was?«, fragte Berlin mit angstfreier Stimme.
»Die Knete oder den Stoff oder beides. Was du hast. Du frierst dir doch nicht einfach wegen nix deinen beschissenen Arsch auf der beschissenen Schaukel ab. Also rück’s schon raus, Miststück.«
Sie hatten die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, und Berlin fragte sich, ob sie Messer hatten. Aber ihr lag so viel daran, Doyle nicht zu verlieren, dass sie alle Vorsicht außer Acht ließ.
»Aus dem Weg.« Sie versuchte sich zwischen ihnen hindurchzudrängen.
Einer trat ihr von hinten in die Kniekehle, und die anderen zwei stürzten sich auf sie, versetzten ihr einen Schlag gegen den Kopf und zerrten sie zu Boden. Der Kicker versenkte seinen Stiefel in ihr Fleisch, während die anderen ihre Taschen durchsuchten. Als sie nichts weiter fanden als ein altes Handy und einen Fünfer, waren sie nicht glücklich. Sie trampelten auf dem Handy herum und behielten das Geld, dann rannten sie davon und fluchten über ihre vergebliche Mühe.
Berlin rollte sich auf den Bauch und übergab sich. Ein Pärchen im Partnerlook joggte um sie herum in den Park. Sie versuchte zu kriechen, aber ohne Erfolg, und lag halb bewusstlos in einer Pfütze aus halbgefrorener Kotze.
Nach einiger Zeit registrierte sie ein pulsierendes blaues Licht. Ein Streifenwagen. Jemand musste ihn gerufen haben. Unglaublich. Doch sie wartete vergeblich auf einen freundlichen Polizisten, der ihr aufhalf. Schließlich konnte sie den Kopf weit genug drehen, um zwei Polizisten aus dem Haus kommen zu sehen. Einen von ihnen hörte sie in sein Funkgerät bellen: »Sieht so aus, als hätten wir ihn gerade verpasst, Sir.«
Ihr und ich, dachte sie.
11
Der Schnitt über Berlins Auge fing immer wieder an zu bluten, und die blauen Flecke wurden immer hübscher. Ihr Rücken tat höllisch weh, und das rechte Knie war dick angeschwollen. Verdreckt und blutbefleckt humpelte sie nach
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