In ihrem Blut: Thriller (German Edition)
eine schmale Straße einbogen. Unbelaubte Hecken ragten zu beiden Seiten des Autos auf. Sie vermutete, dass Dempster ihr Schweigen nur schlecht aushielt.
»Sie sind zu hart gegen sich, wissen Sie«, sagte er.
»Ach ja?«, knurrte sie.
»Von Drogen wird man nicht unbedingt egozentrisch. Das ist nur eine Ausrede. Der Mord an Gina Doyle hat Sie kalt erwischt, und jetzt haben Sie Angst, dass Sie ohne Heroin die Ritzen nicht zukleistern können. Aber auch wenn Sie Ginas Mörder schnappen, wird nicht alles wieder gut.«
Sie staunte. Wollte er in Gesprächsführung punkten? Sie starrte ihn an.
»Sie werden von Angst beherrscht und nicht von der Droge.«
Das Schweigen war förmlich greifbar.
»Anhalten!«, schrie sie.
Erschrocken trat Dempster auf die Bremse, und sie sprang aus dem Auto.
Sie presste sich durch die stachelige Hecke in eine öde Landschaft, Erde und Himmel verschwammen in der Dunkelheit. Sie stolperte über die gefrorenen Furchen und wandte ihr Gesicht dem eisigen Sturm zu. Vielleicht würde er ihre Wut einfrieren.
Frank hörte das näher kommende Auto. Als der Motor abgestellt wurde, lauschte er angespannt, aber nach einer Weile wurde der Motor wieder angelassen, und er hörte das Jaulen des Rückwärtsgangs, als das Auto den Weg zurückfuhr.
Wieder einen abgewehrt.
Sie konnten sich anstrengen, wie sie wollten, sie kamen nicht an ihn ran. Und falls es ihnen jemals gelang, würden sie es bereuen.
Er war bereit.
35
Doyle konnte nicht schlafen und versuchte sich abzulenken, indem er seine imaginäre Auflistung für Frank durchging. Jetzt musste er schon zwei verschiedene Zahlengruppen im Gedächtnis behalten, weil er diesem Arschloch Fernley-Price regelmäßig einen Bericht über seinen Anteil am Geschäft liefern musste.
Der Banker kannte sich aus mit wackligen Zahlen, sonst hätte er nicht nach Investitionsmöglichkeiten bei Doyle gesucht. Immer wieder hatte er um eine Kundenliste gebeten oder um vergebene Kredite oder Rückzahlungspläne oder was auch immer. Er hatte gesagt, jede Art von Aufzeichnungen wäre ihm recht. Er musste wohl gedacht haben, Doyle wäre von gestern. Doyle hatte sich immer nur an die Birne getippt und gesagt, da wäre alles drin.
Doyle seufzte. Alle schissen drauf, was mit ihm los war. Er musste einfach weitermachen. Wenigstens sah es nun nicht mehr so aus, als wäre das Dezernat hinter ihm her. Nach dem Stand der Dinge wollten sie wahrscheinlich alles unter den Teppich kehren und einen weiten Bogen um ihn machen. Sie würden sonst ganz schön belämmert dastehen. Und die Polizei interessierte sich nicht für Kreditgeber ohne Lizenz. Sie wollten echte Diebesfänger sein. Außerdem gefiel ihnen der Papierkram nicht, der mit solchen Finanzsachen verbunden war. Sie würden sich die Beine krumm laufen, und anschließend würden die Staatsanwälte den Fall einstellen.
Es sah also ganz nach Business as usual aus.
Er hatte alle Versuche von Fernley-Price ignoriert, ihn zu kontaktieren, seitdem er ihn im Silent Woman zur Rede gestellt hatte. Er bezweifelte, dass der Arsch noch mal so unangekündigt aufkreuzen würde. Je weniger Kontakt, desto besser. Er wollte nicht, dass über ihr Joint Venture gemunkelt wurde. Vor allem durfte Frank nichts davon erfahren. Er war sich sicher, dass der nichts mitkriegen würde – da draußen in seiner Chigwell-Burg. Na ja – fast sicher. In letzter Zeit wurde es mit der Paranoia des Alten immer schlimmer, und Doyle wollte ihm nicht noch mehr Gründe liefern, sich aufzuregen. Frank war immer noch schlau.
Franks Geschäftsmodell war einfach und hatte den Vorteil, dass es durchschaubar war und sich selbst finanzierte. Der Kunde wusste genau, was abging, und man brauchte sich nichts zu borgen, um Kredite zu geben, was ja die Banken anscheinend getan hatten. Doyle hätte ihnen gleich sagen können, dass das schiefgehen würde.
Frank hatte ihm die Grundkenntnisse eingetrichtert. Man nimmt hundert Eier und leiht sie jemandem, der sich bei der Bank oder sonst wo kein Geld borgen kann. Dann sagt man ihm, dass er die hundert Eier irgendwann als volle Summe zurückbezahlen muss, aber bis dahin kann er sie mit einem Zehner pro Woche abstottern. Ein Zehner pro Woche hört sich immer gut an, sie denken, das kriegen sie hin. Aber sie schaffen es nie, den vollen Hunderter zurückzuzahlen.
Nach einem Jahr haben sie fünfhundertzwanzig Eier zurückgezahlt, aber sie schulden dir immer noch den Hunderter. Natürlich musste man am Anfang die Hundert haben
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