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In ihrem Blut: Thriller (German Edition)

In ihrem Blut: Thriller (German Edition)

Titel: In ihrem Blut: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Hauxwell
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– das kleine Eigenkapital, wie Frank es nannte. Aber man behält erst mal die Zehner, die man einsammelt, bis man hundert zusammenhat, dann verleiht man die wieder. Jetzt kommt jede Woche ein Zwanziger rein, und man hat zwei Kunden, die einem darüber hinaus noch jeweils einen Hunderter schulden.
    Wahre Zauberei.
    Das Schöne daran war, dass man keine komplizierten Zinsrechnungen anstellen musste, und es gab keine Verträge mit fünf Seiten Kleingedrucktem, die sowieso nie jemand las. Das Kleingedruckte hieß »Zahlen, sonst …« Das kapierte jeder. Zur Abwicklung des Ganzen gab es nur noch ein paar stramme Kerle. Keinerlei Betriebskosten.
    Wenn der Kunde den Zehner pro Woche nicht bezahlen konnte, dann machte man ihn nicht platt, man betrachtete das als Gelegenheit zu einem weiteren Geschäft: Man bot ihm an, ihm den Zehner zu pumpen. Das Ende vom Lied war, dass er einem dann wöchentlich elf Eier zahlen musste, bis er die hundertzehn auf einen Schlag zahlen konnte.
    Schlimmstenfalls bezahlte er seine Schulden auf einen Schlag. Das war schlecht fürs Geschäft, und man hakte nach und wollte wissen, wie er das geschafft hatte. Dann erzählte man ihm was von Betriebskosten, wie etwa einer Endabrechnung, und dass er einem das noch schuldete. Das war das übliche Verfahren.
    Wenn er aufhörte, seine Zehner zu löhnen und sich was lieh, um das zu verbergen, dann kam das Kleingedruckte zum Einsatz, und zwar wortwörtlich. Die Mundpropaganda danach war ebenfalls nützlich.
    Frank hatte seine finanziellen Talente während des Zweiten Weltkriegs verfeinert. Im zarten Alter von dreizehn Jahren war er eine Art Vermittler geworden, wenigstens hatte er es so beschrieben. Wenn man etwas brauchte, wie z. B. Benzin oder kandierte Früchte für die Hochzeitstorte der Tochter oder ein hübsches Stück Stoff, dann ging man zu Frank.
    Bedauerlicherweise belohnte die Regierung damals solches Unternehmertum nicht mit Steuervergünstigungen. Die Kontrolleure vom Ernährungsministerium schnappten ihn und schickten ihn wegen Schwarzmarktgeschäften in ein Heim für Schwererziehbare. Frank behauptete, dort hätte er den besten Unterricht seines Lebens bekommen.
    Doyle trank die zerbrechliche Porzellantasse leer und stellte sie behutsam zurück auf die Untertasse. Sie gehörte zu dem antiken Service, das seine Mutter hinterlassen hatte. Als er ein kleiner Junge war, hatte sie ihn immer die Tassen gegen das Licht halten lassen und ihn darauf hingewiesen, dass sie fast durchsichtig waren. Er fand das wunderbar. Sie sagte dann immer: »Siehst du, genau so sollte ein Mann sein. Zwischen ihm und dem Licht sollte es keine dunklen Geheimnisse geben.«
    Dann drückte sie ihn an sich und sang: »Alle guten Gaben, alles, was wir haben, kommt, o Gott, von dir.« Sie war nicht gläubig, aber wenn sie diese alten Kirchenlieder sang, schienen ihre schmalen Schultern nicht mehr die Last der Welt zu tragen, und das blaue Auge, dass sie immer zu haben schien, beeinträchtigte ihre Schönheit nicht.
    Doyle schnäuzte sich und merkte, dass seine Wangen feucht waren. Verdammt, er heulte ja wie ein Waschlappen.
    Nach dem Tod seiner Mutter hatte Frank alle ihre Sachen in den Mülleimer geschmissen, auch ihr Teeservice. Doyle war noch ein Kind, aber er hatte es behutsam Stück für Stück wieder herausgeholt und in einem Karton unter seinem Bett versteckt. Es war ihm verboten, jemals wieder ihren Namen zu erwähnen, und wenn er das vergaß, bekam er von Frank eine geschmiert, wobei der »dieses Miststück« knurrte. Doyle durfte nicht mal mehr die Kirchenlieder pfeifen, ohne dass Frank durchdrehte.
    Herrgott. Was für eine Familie. Seine Mutter hatte Frank verlassen, Nancy hatte ihn verlassen, und Gina hatte sie beide sitzen lassen. Er und sein Vater waren schon ein hübsches Paar. Doyle wischte sich mit dem Taschentuch über das Gesicht. Er hatte das Gefühl, dass er nicht zu einem Mann geworden war, den man mit einer Porzellantasse vergleichen konnte.
    36
    Berlin zog die Vorhänge zu und holte ihren Stoff heraus. Sie und Dempster hatten auf der Heimfahrt kein Wort gesprochen. Sie hatte in dem beißenden Wind gestanden, Gesicht und Hände von ihrem Gerangel mit der Dornenhecke zerkratzt und zerstochen, und wartete darauf, dass er wegfuhr und ihre Fantasie vom Verlassenwerden Wirklichkeit werden ließ. Aber als das Auto mit laufendem Motor stehen blieb und klar war, dass Dempster nirgendwohin fahren würde, zuckte sie mit den Achseln und stieg wieder ein.
    Mit

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