In ihrem Blut: Thriller (German Edition)
sich.
»Wie heißt er?«
Berlin zögerte. Ihr Vertrauen war begrenzt.
»Bevor wir darüber sprechen, wollte ich Sie fragen, ob, also, ich dachte, Sie haben vielleicht gewisse Beziehungen«, tastete sie sich vor.
Sie sah, dass er ungeduldig war. Warum zum Teufel sollte sie weiter drum herumreden?
»Ich brauche Heroin.«
Er blinzelte nicht mal. Er ging nur zu einem kleinen Sekretär und kritzelte etwas auf einen Block. Er riss das Blatt ab und gab es ihr. Sie warf einen Blick darauf. Es war eine Adresse aus dem Stadtteil.
»Beziehen Sie sich auf mich. Jetzt Sie. Wie heißt er?«
»Fernley-Price. Er arbeitet in der City.«
Doyle sah sie an, als wäre sie verrückt. »Nein. Das kann nicht stimmen.«
»Er hat die Beziehung zu ihr bestätigt, als er ihre sterblichen Überreste identifiziert hat, Mr. Doyle. Ich war dabei.«
Doyle stand wie betäubt auf. Sie sah, dass er taumelte.
»Grundgütiger Himmel.«
Berlin stand auch auf, erschrocken über seine Veränderung.
»Mr. Doyle, ist alles in Ordnung mit Ihnen? Was ist denn los?«
Er starrte sie an, die Fäuste geballt, und sie sah, wie sich das Ungeheuer in ihm aufbäumte.
»Kennen Sie ihn?«, fragte sie.
Doyle antwortete nicht, sondern riss sich zusammen. Als er wieder redete, war seine Stimme fest und sehr kalt.
»Ich denke, damit ist unser Geschäft beendet.«
Hinter ihr schloss sich die Tür.
Der Ausblick vom Treppenabsatz auf Weaver’s Fields war wie eine Postkarte. Eine Schneedecke verbarg alle Formen und Farben, die Schaukeln und die Rutsche schienen von den ungeschickten Händen eines Riesen mit dichtem weißem Styropor bedeckt worden zu sein. Das würde nicht lange so bleiben. Schon während sie noch hinunterschaute, lief ein Junge in den Park und fiel in eine Schneewehe. Achtung, Hundekacke!, dachte sie.
Was hatte sie getan? Ihr Urteilsvermögen war durch ihre gegenwärtige Verfassung eingeschränkt. Warum hatte Doyle zu seinem Schwiegersohn keine Fragen gestellt, nachdem sie ihm den Namen gesagt hatte? Zugegeben, Fernley-Price war ein seltener Nachname, und es gab bestimmt nicht viele. Zweifellos dachte Doyle, dass er ihn ohne Schwierigkeiten finden würde. Während sie auf ihre Erlösung zueilte, fügten sich die Puzzlesteine langsam zusammen.
Thompson hatte gesagt, Fernley-Price wäre ein Hedgefondsmanager, der während der Krise hatte gehen müssen. Nestor und Fernley-Price gehörten zu der Seilschaft alter Knaben, und Nestor hatte jeden Penny bei Fernley-Price investiert.
Als Doyle Coulthard folterte, hatte er gestanden, dass sein Partner mit Nestor zu tun hatte. Konnte Fernley-Price Doyles Partner sein, ohne dass Doyle wusste, dass Gina Fernley-Prices Frau war?
Wenn sie ihren Vater ans Messer lieferte, tat sie das auch mit ihrem Mann. War es: Kauf eins, dann kriegst du eins umsonst dazu? Fernley-Price hatte sie nicht als vermisst gemeldet. Dafür konnte es einen sehr guten Grund geben. Er hatte sie umgebracht.
Sein Glück, dass er im Krankenhaus im Koma lag, bewacht von der Polizei. Sie wäre nicht gern an seiner Stelle, wenn Doyle beschloss, ein Familientreffen zu organisieren.
Sollte sie Thompson warnen?
Diesen Gedanken verwarf sie. Gerade hatte sie ein wichtiges Beweisstück in dem Fall gegen eine Dealeradresse ausgetauscht. Sah nicht gut aus. Außerdem war Fernley-Price dort sicher, wo er war. Demnächst würde sie es Thompson erzählen. Aber jetzt musste sie sich erst mal um ihren eigenen Scheiß kümmern.
Reines, blendendes Weiß bedeckte alles. Straßen, Autos, Hecken, Abfalleimer, Geländer, Mauern, Straßenlampen. Alles war von zehn Zentimeter hohem Schnee bedeckt. Eis umhüllte Giebel und Fallrohre. Die Welt war verändert. Sie wandte das Gesicht nach oben und spürte die Berührung der weichen, eiskalten Schneeflocken auf den Wangen.
Alle Geräusche waren gedämpft, nichts regte sich. Der Tumult und die ständige ruhelose Bewegung von London waren zum Stillstand gekommen. Es war, als hätte ihr eigenes Chaos das übrige Leben ausgelöscht. Seit mehr als zwanzig Jahren war sie nicht so lange ohne Heroin gewesen.
Sie sah nervös hinter sich, als würde Gina Doyle, die Mitwisserin ihrer egoistischen Gedanken, sie verfolgen: ein Leichnam, der beharrlich seine Füße durch den Schnee schleppte, an der klaffenden Wunde in ihrer Kehle hingen blutige Eiszapfen. Sie blieb dran und vergewisserte sich, dass Berlin sie nicht im Stich ließ.
Mann, langsam drehe ich echt durch, dachte Berlin. Sie musste sich immer auf ein Problem
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