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In kalter Absicht

In kalter Absicht

Titel: In kalter Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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sie hinzu:
    »Du scheinst irgendwelche Probleme zu haben.«
    Yngvar Stubø sah größer aus. Es konnte nicht nur Einbildung sein, er hatte offenbar während der letzten Wochen zugenommen. Seine Wangen waren runder, und sein Hemd spannte am Hals. Immer wieder steckte er einen Finger hinter seinen Kragen. Sein Schlips hing auf halb zwölf. Inger Johanne war schon aufgefallen, daß er zuviel und zu schnell aß.
    »Darf ich fragen, ob du etwas zu essen hast«, fragte er müde. »Ich habe solchen Hunger.«
    Amund lag in Inger Johannes Bett. Sie hatten eine Stunde gebraucht, um ihn zum Schlafen zu bringen. Endlich kam Yngvar aus dem Schlafzimmer. Jetzt hatte er den Schlips in die Tasche gesteckt und die beiden oberen Hemdknöpfe geöffnet. Er krempelte die Ärmel hoch und ließ sich aufs Sofa sinken. Das ächzte unter seinem Gewicht. Er nahm sich einen Heißwecken aus der Glasschüssel und hatte ihn mit drei Bissen verzehrt.
    »Diese Kaliumtheorie ist wirklich erschreckend«, sagte er und wischte sich Krümel aus dem Mundwinkel. »Ich meine, sie ist in unserem Fall ja schon unheimlich genug, aber wenn sie erst mal bekannt wird …«
    »Das Problem ist die Einstichstelle«, sagte Inger Johanne nachdenklich. »Aber wenn das Opfer vorher … Wenn es krank ist oder drogensüchtig oder aus anderen Gründen Einstichstellen haben kann, ohne daß das Verdacht erregt, dann ist das absolut …«
    »Beängstigend.«
    »Aber du hast doch gesagt, daß diese Injektionsflüssigkeit aus Kalium und noch etwas anderem besteht?«
    »Aus Kaliumchlorid. Das wird in der Blutbahn in Kalium und Chlor aufgespalten.«
    Inger Johanne rümpfte die Nase.
    »Und hinterläßt das Chlor keine Spuren?«
    Yngvar schien noch einen Heißwecken nehmen zu wollen. Dann aber rieb er sich die Hände und verschränkte sie in seinem Nacken.
    »Ich weiß nicht so recht, ob ich das alles ganz begriffen habe, aber es geht darum, daß der Chlorspiegel im Körper viel höher ist als der Kaliumspiegel.«
    Yngvar kniff die Augen zusammen und dachte nach. Dann öffnete er sie wieder, beugte sich vor und zeichnete mit dem Finger auf der Glasplatte.
    »Möglicherweise habe ich mir die Zahlen nicht richtig gemerkt, aber sie können immerhin als Erklärung dienen. Sagen wir, dein Kaliumspiegel beträgt nach irgendeiner Maßeinheit drei.«
    »Gut. Drei Maßeinheiten Kalium.«
    »Außerdem hast du hundert Maßeinheiten Chlor. Eine Steigerung auf hundertfünf Chloreinheiten ist weder gefährlich noch auffällig. Ein entsprechender Anstieg von drei auf acht Kaliumeinheiten dagegen ist tödlich. Und das ist wirklich eine Möglichkeit für den perfekten Mord.«
    »Das erklärt, warum er die Kinder entführen mußte«, sagte Inger Johanne. »Er mußte sie an einen Ort bringen, wo er sie mit Valium beruhigen konnte, um ihnen dann eine Spritze in die Schläfe zu geben.«
    »Wenn er es denn so getan hat.«
    »Mmm. Wenn er es denn so getan hat. Wann wissen wir mehr?«
    »Der Pathologe wird morgen früh sofort Sarah untersuchen. Und wir werden tun, was wir können, um Kims Grab nicht öffnen zu müssen.«
    Beide schauten zum Schlafzimmer hinüber. Die Tür war angelehnt.
    »Wenn das richtig ist, dann wissen wir immerhin mehr über den Mörder.«
    »Was denn?«
    »Wir wissen, daß er Zugang zu Kalium hat.«
    »Das haben wir aber alle.«
    »Aber du hast doch gesagt, daß nur die wenigsten Apotheken Kalium vorrätig haben.«
    »Wir können uns natürlich alle Apotheken im Land vornehmen. Der Pathologe meint, eine Kaliumbestellung wäre so außergewöhnlich, daß sie auf jeden Fall auffallen würde. Aber der Mörder kann ja im Ausland eingekauft haben. Die Götter wissen, daß er vorsichtig genug ist. Und wir haben das Problem mit den Krankenhäusern. Die Intensivstationen haben das Zeug auf Lager. Und in Norwegen gibt es ganz schön viele Intensivstationen.«
    »Aber wir wissen noch mehr«, sagte Inger Johanne langsam. »Wir wissen, daß unser Mörder nicht nur ein intelligenter Mann ist. Er hat auch Kenntnisse über eine Mordmethode, von der, wie du sagst, überhaupt nur die allerwenigsten Ärzte …«
    Yngvar fiel ihr ins Wort.
    »Der Pathologe war zutiefst erschüttert. Er geht auf die Fünfundsechzig zu und sagt, daß er in seinem Leben noch nicht über diese Methode nachgedacht hat. Nie! Und dabei ist er Pathologe!«
    Er hob ein wenig den Hintern vom Sofa und suchte in seiner Hosentasche nach der Tabelle mit Sigmund Berlis Kritzeleien. Die war eingerissen und wollte auf dem Tisch

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