In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05
können«, sagte Walker. »Und deshalb musste ich Ihnen alle Umstände erläutern.
Damit Sie genau wissen, worauf Sie sich in diesem Fall einlassen.«
»So etwas habe ich noch nie gemacht.«
»Ich auch nicht«, sagte Walker. »Es macht mich krank, auch nur darüber zu reden.«
Reacher dachte nach.
»Warum glauben Sie, dass ich mich darauf einlassen würde?«, fragte er.
»Ich glaube, dass Sie sie mögen«, antwortete Walker. »Dass sie Ihnen Leid tut. Dass Sie ihr helfen möchten. Damit könnten Sie indirekt auch mir helfen.«
»Wie stellen Sie sich den Ablauf vor?«
Walker zuckte mit den Schultern. »Da ich von Anfang an ausscheide, wird eine meiner Assistentinnen den Fall übernehmen. Ich werde genau herausfinden, was sie beweisen kann, und Sie entsprechend instruieren, damit Sie keinen Fehler machen. Deshalb kann ich nicht zulassen, dass Sie Carmen jetzt besuchen. Unten werden alle Besucher registriert. Das würde nach einer geheimen Absprache aussehen.«
»Ich weiß nicht recht«, meinte Reacher zögernd.
»Ich auch nicht. Aber vielleicht kommt der Fall überhaupt nicht vor Gericht. Erweisen die Krankenakten sich als halbwegs brauchbar, reicht es vielleicht, Carmens und Ihre Aussage zu Protokoll zu nehmen, um einen Grund zu haben, die Anklage fallen zu lassen.«
»In einer protokollierten Aussage zu lügen wäre ebenso schlimm.«
»Denken Sie an Ellie.«
»Und an Ihre Wahl zum Richter.«
Walker nickte. »Dazu stehe ich. Ich will gewählt werden, das gebe ich zu. Aber aus redlichen Gründen. Ich möchte Verbesserungen durchsetzen, Reacher. Das war schon immer mein Ehrgeiz. Mich hocharbeiten, die Dinge von innen heraus verbessern. Das ist der einzig gangbare Weg. Zumindest
für jemanden wie mich. Ich habe keinen Einfluss als Lobbyist und bin eigentlich auch kein Politiker. Dieser ganze Kram ist mir eher peinlich. Ich habe kein Talent dafür.«
Reacher schwieg.
»Überlegen Sie sich die Sache«, sagte Walker. »Sie haben ein bis zwei Tage Zeit. Für den weiteren Ablauf bin dann ich zuständig.«
»Sind Sie sich Ihrer Sache sicher?«
Walker seufzte erneut. »Nein, natürlich bin ich mir nicht sicher. Ich hasse das Ganze. Aber hol’s der Teufel, Sloop ist tot. Das lässt sich nicht ändern. Nichts kann ihn wieder lebendig machen. Ich schade damit natürlich seinem Andenken. Aber das würde Carmen retten. Und er hat sie geliebt, Reacher. Auf eine Weise, die kein Außenstehender begreifen könnte. Die Missbilligung, der er sich ausgesetzt hat, war unglaublich. Durch seine Familie, durch die Leute, mit denen er Umgang hatte. Er wäre glücklich gewesen, seinen Ruf für ihr Leben zu opfern, denke ich. Genau genommen sein Leben für das ihre. Wahrscheinlich wäre er auch bereit gewesen, mein oder Als Leben oder sonst jemandes für sie zu opfern. Er hat sie wirklich geliebt.«
Danach herrschte wieder Schweigen.
»Sie muss gegen Kaution entlassen werden«, sagte Reacher.
»Das ist ausgeschlossen«, widersprach Walker.
»Ellie braucht sie.«
»Ellie kann’s ein paar Tage bei ihrer Großmutter aushalten. Sorgen muss uns der Rest ihres Lebens machen. Lassen Sie mir Zeit, eine Lösung zu finden.«
Reacher zuckte mit den Schultern und stand auf.
»Was wir besprochen haben, bleibt strikt unter uns, nicht wahr?«, fragte Walker. »Das hätte ich von Anfang an klarstellen müssen.«
Reacher nickte. »Melden Sie sich bei mir«, sagte er.
Dann machte er kehrt und verließ den Raum.
12
»Eine einfache Frage«, sagte Alice. »Ist es glaubhaft, dass häusliche Gewalt so verdeckt stattfindet, dass selbst enge Freunde nichts davon mitbekommen?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Reacher. »Auf diesem Gebiet habe ich keine Erfahrung.«
»Ich auch nicht.«
Die beiden saßen sich an Alices Schreibtisch gegenüber. Es war kurz nach Mittag, und die Hitze war so unerträglich, dass sich niemand auf die Straße wagte. Auch die Beratungsstelle war fast menschenleer. Außer Alice und Reacher hielt sich hier nur noch ein Anwalt auf. Die Innentemperatur lag bei über vierzig Grad. Zugleich nahm die Luftfeuchtigkeit zu. Das uralte Klimagerät über der Tür brachte nicht die geringste Linderung. Alice trug wieder Shorts und war am ganzen Körper von einem dünnen Schweißfilm bedeckt, der ihre sonnengebräunte Haut wie eingeölt aussehen ließ. Reachers Hemd war durchgeschwitzt. Er überlegte schon, ob es die vorgesehenen drei Tage durchhalten würde.
»Ein unauflösbarer Widerspruch«, sagte Alice. »Misshandlungen, die
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