In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05
legte er auf, bevor Rodriguez weiter in ihn dringen konnte. Alice starrte ihn an. Auch ihre Mandanten machten große Augen. Ihre Englischkenntnisse waren anscheinend so gut, dass sie mitbekommen hatten, worum es gegangen war.
»Welcher Präsident war Chester A. Arthur?«, fragte Alice.
»Der nach James Garfield und vor Grover Cleveland«, antwortete Reacher. »Einer von zwei Präsidenten aus Vermont.«
»Wer war der andere?«
»Calvin Coolidge.«
»Dann haben sie Eugene also gefunden«, sagte sie.
»Richtig.«
»Was machen wir jetzt?«
»Jetzt warnen wir Hack Walker.«
»Ihn warnen?«
Reacher nickte. »Denken Sie mal darüber nach, Alice. Vielleicht haben wir’s hier mit zwei von zwei Opfern zu tun, aber ich halte es für wahrscheinlicher, dass es erst zwei von drei sind. Die drei waren dick befreundet: Hack, Al und Sloop. Carmen hat mir erzählt, dass sie alle drei in den Deal verwickelt waren. Hack habe Verbindung zur Bundespolizei gehalten. Also war Hack über all das informiert, was auch die anderen wussten. Folglich könnte er der Nächste sein.«
Alice wandte sich ihren Mandanten zu.
»Sorry, ich muss dringend weg«, sagte sie auf Englisch.
Hack Walker war eben dabei, für heute Schluss zu machen. Er hatte sein Jackett angezogen, stand neben dem Schreibtisch und ließ die Schlösser seines Aktenkoffers zuschnappen. Es war nach achtzehn Uhr, und langsam begann sich die Abenddämmerung herabzusenken. Sie berichteten ihm, dass Eugene tot war, und sahen, wie alle Farbe aus seinem Gesicht wich. Er klammerte sich am Schreibtisch fest, wankte zu seinem Sessel und ließ sich hineinfallen. Zunächst brachte er kein Wort heraus, dann nickte er langsam.
»Ich glaube, ich hab’s von Anfang an gewusst«, sagte er. »Aber ich hab weiter gehofft.«
Er senkte den Blick, betrachtete das gerahmte Foto auf seinem Schreibtisch.
»Tut mir sehr Leid«, sagte Reacher.
»Wissen Sie schon, warum?«, fragte Walker. »Oder wer?«
»Noch nicht.«
»Wieso haben Sie davon eher erfahren als ich?«
»Reacher hat rausgekriegt, wo sie suchen sollten«, antwortete Alice. »Eigentlich hat er’s ihnen gesagt.«
Dann begann sie sofort, ihm Reachers Zwei-von-drei-Theorie zu erläutern. Der Deal, das gefährliche Insiderwissen. Die Warnung. Walker saß ganz still und hörte zu. Allmählich kehrte etwas Farbe in sein Gesicht zurück. Er blieb schweigsam, dachte angestrengt nach. Zuletzt schüttelte er den Kopf.
»Kann nicht sein«, erklärte er. »Weil der Deal eine Bagatelle war. Sloop ist weich geworden und hat sich verpflichtet, die Steuern und Strafgelder zu zahlen. Das war’s schon. Er war verzweifelt, konnte es im Gefängnis nicht mehr aushalten. Das kommt häufig vor. Al hat sich an die Finanzbehörde gewandt und ihr das Angebot unterbreitet. Der Deal wurde mit einer Außenstelle vereinbart – mit ganz untergeordneten Leuten. Weil’s eine Routinesache war. Der Bundesanwalt musste die Vereinbarung abzeichnen, deshalb war auch ich
mit der Sache befasst. Ich hab ein bisschen nachgeholfen, das war alles, und so ist sie schneller bearbeitet worden als ohne mich. Sie wissen schon, der Old Boy’s Club. Für die Finanzbehörde war das Ganze eine Routinesache. Und glauben Sie mir, wegen einer Routinesache der Finanzbehörde wird niemand ermordet.«
Er schüttelte wieder den Kopf. Dann sah er die beiden an.
»Ich möchte, dass Sie jetzt gehen«, bat er.
Alice nickte. »Es tut uns sehr Leid. Wir wissen, dass Sie einen Freund verloren haben.«
Aber Walker wirkte nur ein wenig verwirrt, als mache ihm etwas ganz anderes Sorgen.
»Ja?«, sagte Reacher.
»Wir sollten nicht weiter miteinander reden, das ist alles«, antwortete Walker.
»Warum nicht?«
»Weil wir uns dabei im Kreis drehen und zuletzt an einem Punkt ankommen, den wir gar nicht erreichen wollen.«
»Wieso das?«
»Überlegt mal, Leute. Kein Mensch wird wegen einer Routinesache der Finanzbehörde ermordet, oder? Sloop und Al wollten Carmen das Treuhandvermögen wegnehmen und den größten Teil davon dem Staat geben. Jetzt sind Sloop und Al tot. Zwei plus zwei ist vier. Ihr Tatmotiv wird immer plausibler und überzeugender. Reden wir wie bisher weiter, muss ich an eine Verschwörung denken. Zwei Morde, nicht nur einer. Da bleibt mir nichts anderes übrig. Und eben das will ich nicht.«
»Es hat keine Verschwörung gegeben«, sagte Reacher. »Wozu hätte sie mich mitnehmen sollen, wenn sie bereits Killer engagiert hatte?«
Walker zuckte mit den Schultern.
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