In letzter Sekunde
Gesicht zerrte Lynn gerade zu einem Wagen. Ihr waren die Augen verbunden, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Sie stolperte und wäre fast hingefallen.
Blade war nicht mehr zu halten. Die Tür schlug hinter ihm ins Schloss, das Geräusch machte den Mann aufmerksam. Nach einem Blick in Blades Richtung stieß er Lynn brutal auf ihn zu, verlor dabei seine Autoschlüssel, die klirrend am Boden landeten. Lynn fiel auf die Knie, und der Kerl versuchte zu flüchten.
„Lynn ..."
„Mir geht es gut."
Obwohl Blade wusste, der Mann würde ihm sehr wahrscheinlich entkommen, half er Lynn auf die Beine und riss ihr das Tuch von den Augen.
„Wer ist es?" keuchte sie. „Rincon?"
Während er ihre Hände befreite, musste Blade zugeben: „Ich habe sein Gesicht nicht gesehen. Hol Gideon und Logan - ich laufe ihm nach."
„Blade, nein! Er hat eine Pistole!"
Aber er war schon losgerannt, auch wenn nur eine geringe Chance bestand, den Kerl noch zu fassen. Sein Vorsprung war inzwischen zu groß geworden.
Als er den Flüchtenden am Ende der Gasse ausmachte, beschleunigte er das Tempo.
Langsam verringerte sich die Distanz zwischen ihm und dem Maskierten.
Der Entführer warf einen Blick über die Schulter - er trug immer noch die Skimaske. Dann sprang er auf einen großen Müllcontainer, zog sich an der eisernen Feuerleiter hoch, die dicht darüber hing. Der Mann musste körperlich fit sein, und wieder fragte sich Blade, ob er tatsächlich Johnny Rincon vor sich hatte.
Aber wer immer es auch war, er war die Leiter bereits halb hinauf, als Blade endlich den Müllcontainer erreichte und die erste Sprosse erklimmen konnte.
Er hatte vier Stockwerke hinter sich gebracht, da hielt der Mann über ihm auf dem Treppenabsatz abrupt inne und griff nach einem Grill, den jemand dort stehen gelassen hatte.
Asche regnete auf Blade herab, er konnte nicht ausweichen. Augen und Nase brannten, er hielt den Atem an und presste sich dicht an die Hauswand. Trotzdem streifte der metallene Rost auf dem Weg nach unten schmerzhaft seine Schulter.
Blade fluchte und setzte die Verfolgungsjagd fort. Über ihm hatte der Angreifer inzwischen den obersten Treppenabsatz erreicht und hangelte sich aufs Dach hinauf. Ein paar Sekunden später verschwand er außer Sicht. Zwei Schüsse dröhnten durch die Nacht, und von unten her erklangen Stimmen.
Blade hatte nur ein Ziel: den Kerl zu fangen. So ignorierte er alles andere und zwang sich, noch schneller hochzusteigen. Aber als er endlich das Flachdach erreichte, war von dem anderen nichts mehr zu sehen.
Die Tür zum Treppenhaus ... die normalerweise verschlossen war.
Der Flüchtige hatte das Schloss aufgeschossen. Blade riss die Metalltür auf.
Undurchdringliche Finsternis empfing ihn.
Ohne zu zögern ging er hinein.
Einen Moment lang blieb er stehen, damit sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten.
Ein schwacher Lichtschein half ihm, die Treppe zu entdecken, aber dennoch musste er sich seinen Weg hinunter mehr ertasten, sich auf seinen Instinkt verlassen. Erst im dritten Stock fiel Licht aus einem Fenster in den Flur.
Das heruntergekommene, staubige Gebäude erinnerte an einen Kaninchenbau, es war voller kleiner Firmen und Künstlerstudios. Bestimmt war die Miete billig, baupolizeiliche Vorschriften wurden offenbar nicht sonderlich streng eingehalten.
Der betagte Fahrstuhl kroch im Schneckentempo dahin, Blade hingegen war jung und schnell. Als der Lift den zweiten Stock erreichte, hatte er den quietschenden Kasten eingeholt.
Und als sich im Erdgeschoss die Türen auseinander schoben, war er zur Stelle.
Er wollte schon sein Messer ziehen, erstarrte aber, als er sah, dass sich nur eine junge Frau mit gepiercter Augenbraue, Nasenring und aufwendigen Tätowierungen auf beiden Armen in der Kabine befand. Voller Schrecken starrte sie ihn an. Bestimmt hatte sie um diese späte Stunde niemanden mehr hier erwartet.
Obwohl Blade sich sofort wieder entfernte, rannte sie wie gehetzt Richtung Ausgang.
Wo in diesem Labyrinth hatte sich der Kerl versteckt?
„Du musst verschwinden, Lynn."
Blade und die anderen hatten sich in Gideons Büro versammelt.
Überrascht blickte sie ihn mit großen Augen an. „Ich bin bereits verschwunden ..."
„Diesmal richtig", fügte er hinzu. „Ohne eine Spur zu hinterlassen. Und du darfst nicht wiederkommen, ehe wir diesen Bastard dingfest gemacht haben."
„Er hat Recht", meinte Gideon. „Ihr Angreifer hat herausgefunden, dass Sie hier sind ..."
„Aber wie?"
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