In Liebe, Rachel
habe …«
»Das ist doch Schwachsinn!«
»Außerdem, wenn Veerappan dieselben tiefgründigen braunen Augen hat wie Naseem …«
»Du müsstest dich mal hören!« Sam lachte dröhnend. »Sarah hat behauptet, Rachel sei die verrückteste von euch Freundinnen gewesen.«
»Rachel
war
auch die Verrückte von uns.«
Plötzlich standen ihr die Bilder von einem Skiausflug in die Rocky Mountains vor Augen und die von Rachels verrenktem Körper im Schnee.
»Kannst du mich hören? Rachel? Kannst du dich bewegen? Mist! Du hast dir das Bein gebrochen.«
Rachels Atem ging kurz und flach, ihre Haut war bleich, doch sie lachte. »Das war doch ein toller Stunt, oder etwa nicht?«
»Ein ganz ausgefallener Stunt, da hast du wohl recht! Was zum Teufel hast du dir dabei nur gedacht?«
»Du fluchst. Du verbringst zu viel Zeit mit Jo.«
»Wenn du doch nur den Nachmittag mit ihr auf der Tribüne verbracht hättest, in eine Decke gewickelt und mit einer Thermoskanne heißer Schokolade.« Kate winkte das Schneemobil mit den Sanitätern heran. »Hast du jemals daran gedacht, so etwas einfach nur zum Spaß zu machen?«
»Jetzt sind leider meine Schnorchelpläne für nächste Woche dahin.«
»Schnorcheln? Ist das deine einzige Sorge? Verdammt noch mal! Hast du dir je Gedanken darüber gemacht, was mit uns passieren würde, wenn du draufgehst?«
»Ob du’s glaubst oder nicht.« Rachel grinste mit blutig aufgerissener Lippe. »Ja, das habe ich.«
Trauer schnürte Kates Herz zusammen. Es schmerzte, aber es tat auch gut, dieses Gefühl intensiv zu spüren. »Du hättest sie gemocht, Sam. Sie hat das Leben ohne Rücksicht auf Verluste gelebt.«
»Ich habe sie kennengelernt, als sie Sarah letztes Jahr besucht hat. Aber was ich immer noch nicht verstehe: Wenn Rachel die Verrückte von euch war, was macht dann Kate Jansen mit einem völlig Fremden hier im Dschungel?«
»Leben – zum ersten Mal seit langer, langer Zeit.« Kate zog ihre Beine höher. »Ich wette, dass du bis zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas über mich gehört hast.«
Sam zögerte für den Bruchteil einer Sekunde. »Sarah hat dich mal erwähnt …«
»Du bist ein lausiger Lügner. Sarah hat mich nie erwähnt, weil es über mich nichts zu erzählen gibt.« Wann hatte sich das geändert? Wann hatte die alte bergsteigende, mit diversen Master-Abschlüssen ausgestattete Kate ihren Biss verloren? »Ich bin nicht aufregender als eine Angabe aus einer Statistik. Ich bin eine mittelalte weiße Vorortfrau.«
Sam warf ihr einen zweifelnden Blick zu. »Ich kenne nicht so viele Frauen, die in solchen Statistiken vorkommen und gleichzeitig im indischen Dschungel campen.«
»Rachel ist tot. Irgendjemand muss jetzt die Fahne hochhalten.«
»Nun, ich sag’s dir gleich: Bitte mich nur nicht, Fallschirm zu springen. Es reicht schon, dass wir den Dschungel durchqueren, durch den, soweit ich weiß, eine wichtige Opiumschmuggelroute führen könnte und in dem sich offensichtlich bewaffnete Tamilen …«
»
Tranquilo
, Sam«, murmelte sie lachend. »Uns passiert nichts.«
Sein Mund verzog sich zu einem kleinen Grinsen, das von Melancholie getrübt wurde. »Genau das würde Sarah sagen.«
Drei Stunden später liefen Kate und die übrigen Teilnehmer des Ausflugs erschöpft auf das Camp zu – die Elefanten hatten sie zurückgelassen, als sie undurchlässigeres Gebiet erreichten. Es war eine Behelfsunterkunft, von der aus man auf ein schlammiges Wasserloch schaute. Eine grob gezimmerte Hütte stand in der Mitte, von Wasser aufgequollen und von Moos überzogen, gerade groß genug, um die Reisenden vor Regen zu schützen. Ein breiter Graben umgab das Camp. Der Guide erklärte, dass er die wilden Elefanten daran hinderte, ins Lager zu trampeln – oder die Tiger, die nicht darüberspringen konnten.
Kate grinste. Alles war tadellos.
Zwei Männer in weißen Sarongs betreuten einige Feuerstellen. Kessel hingen darüber, in dem etwas köstlich Duftendes vor sich hin brodelte. Als Kate ihren Rucksack auf dem langsam anwachsenden Gepäckhaufen ablud, erschien ein dritter Mann, ebenfalls in einem weißen Sarong, mit einem Tablett voller Getränke.
»Das ist
Jal jeera
«, erklärte Sam und nahm einen vorsichtigen Schluck von dem limonadeartigen Getränk. Er hatte es am Tag zuvor auf dem Marktplatz probiert.
Durstig stürzte Kate die Flüssigkeit hinunter und genoss die erfrischende Mischung aus Minze, Salz und Kreuzkümmel.
Am Feuer unterhielten sich Kate und Sam mit den
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