In Liebe und Tod
»Hat man es ihren Familien schon gesagt?«
»Sie werden gerade informiert.«
»Dann werde ich bis morgen warten, bevor ich sie kontaktiere. Warum hat er sie umgebracht? Können Sie mir das sagen?«
»Ich kann Ihnen sagen, dass Natalie ihre Arbeit gemacht hat und dabei auf etwas gestoßen ist, was sie korrigieren wollte.«
»Mein Sohn. Er hat seine Arbeit nicht gemacht.« Er schüttelte den Kopf, als Eve ihm keine Antwort gab. »Das wird sehr, sehr schwer für meinen Enkel und für meine Frau.«
»Dann sollten Sie bei ihnen sein.«
»Ja, das sollte ich.« Er stand müde auf. »Falls ich, meine Familie oder meine Firma irgendetwas tun können, um dafür zu sorgen, dass Winfield Chase bis an sein Lebensende im Gefängnis bleibt, brauchen Sie es nur zu sagen.« Er reichte ihr die Hand. »Danke.«
Eve blieb noch einen Moment sitzen, nachdem er gegangen war, und trank ihre Pepsi aus. Dann ging sie ins Bad, klatschte sich kaltes Wasser ins Gesicht und machte sich auf den Weg in den Vernehmungsraum.
Anscheinend hatte sich herumgesprochen, dass sie keinen Spaß verstand, erkannte sie, als sie außer Madeline Bullock nur zwei Anwälte hinter dem Stahltisch sitzen sah.
Sie schaltete den Rekorder ein und gab die Namen der Anwesenden sowie den Grund für die Vernehmung an.
»Ihr Sohn hat fünf Morde gestanden«, fing sie an, wobei sie Madeline reglos in die Augen sah. »Wie ich sehe, haben Sie schon Wind davon bekommen. Außerdem hat er mir ausführlich beschrieben, inwieweit Sie an allen diesen Morden sowie a n der Entführung von Tandy Wil lowby beteiligt waren.«
»Ms Bullock ist bereit, eine Aussage zu machen«, gab einer der Anwälte zu Protokoll.
»Sie wollen mir doch wohl nicht noch mal einen Berg Scheiße auftischen, Madeline? Aber okay, lassen Sie hören.«
»Ich erwarte nicht, dass Sie mein Entsetzen, meine Trauer, meine Schuldgefühle nachvollziehen können.« Madeline presste ein spitz enbesetztes Taschentuch vor ih ren Mund. »Mein Sohn - wie sollte ich mir keinen Vorwurf machen? Schließlich habe ich ihn auf die Welt gebracht. Aber etwas ist bei ihm - verdreht. Er ist derart jähzornig, derart gewaltbereit. Ich habe schon seit Jahren Angst vor ihm.«
»Also bitte. Sie haben höchstens Angst davor, die Stiftung zu verlieren - das Geld, das Ansehen, das Geschäft, das Sie betrieben haben, seit Ihr Mann gestorben ist.«
»Sie können mich wahrscheinlich nicht verstehen. Er hat mich zu - Dingen gezwungen, über die ich immer noch nicht sprechen kann.«
»Dazu, mit ihm zu schlafen? Sehen Sie, man kann es aussprechen. Und das ist ebenfalls totaler Quatsch. Sie haben Ihren Sohn sein Leben lang sexuell missbraucht.«
»Wie können Sie so etwas Furchtbares behaupten?« Madeline schien zusammenzubrechen und vergrub ihr Gesicht in ihrem Taschentuch. »Win ist krank, und nichts, was ich hätte tun können ...«
»Sie haben ihn auf die Welt gebracht«, griff Eve Madelines eigene Worte auf. Sie spürte, wie der Zorn in ihrem Innern aufstieg, als sie sich selbst zusammen mit dem Mann, der sie gezeugt hatte und von dem sie unzählige Male vergewaltigt worden war, in einem ungeheizten Zimmer sah. »Und Sie haben ihn ausgebeutet und missbraucht. Sie haben ihn zu dem gemacht, was er jetzt ist.«
»Sie haben ja keine Ahnung, welches Grauen ich durchgemacht habe.«
»Sie sind gerade die Richtige, um mir etwas von Grauen zu erzählen. Ich habe die Aussagen von Ihrem Sohn, von Walter Cavendish, von Ellyn Bruberry. Alle drei haben erklärt, dass Sie die Chefin waren, dass Sie die Entscheidungen gefällt und die Befehle gegeben haben. Sie bilden sich doch wohl nicht ernsthaft ein, nur, weil Sie sich die Hände bei den Morden nicht selbst schmutzig gemacht haben, kämen Sie mit heiler Haut davon?«
»Ich habe getan, was Win mir befohlen hat. Sonst hätte er mich umgebracht.«
Madeline schob einen Arm über den Tisch, und obwohl Eve das Gefühl hatte, als würde sie dadurch besudelt, ließ sie zu, dass die Hexe ihre Hand ergriff.
Du bist einfach gut, du bist wirklich gut, Madeline.
»Ich flehe Sie an, von Frau zu Frau. Ich flehe Sie an, mich zu beschützen. In meinem Sohn schlummert ein wahres Ungeheuer. Ich habe so fürchterliche Angst.«
»Ms Bullock war praktisch eine Gefangene der Krankheit ihres Sohnes«, setzte einer der Anwälte an. »Ein Opfer körperlichen und emotionalen Missbrauchs. Er hat sie benutzt ...«
»Er hat Sie benutzt?« Eve riss sich von Madenline los, starrte sie mit großen Augen an - und
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