In Liebe und Tod
»Wir müssen uns mit unserem Mandanten beraten.«
»Ihr seid gefeuert.« Chase bleckte die Zähne und fuhr so wütend zu den beiden herum, dass sie erschrocken aufsprangen und auf die andere Seite des Tisches flüchteten. »Glaubt ihr, ich bräuchte euch? Idioten. Nichtsnutze. Haut ab. Ich habe die Nase voll von euch. Geht mir aus den Augen, ja?«
»Mr Chase ...«
»Verschwindet! Ich kann und werde für mich selbst sprechen«, meinte er, nachdem die beiden Anwälte endlich den Raum verlassen hatten.
Jetzt, sagte sich Eve, jetzt haben wir den Kerl. Sie sah ihn weiter reglos an und fragte ihn in ruhigem Ton: »Mr Chase, fürs Protokoll, Sie haben Ihre Anwälte entlassen?«
Wieder bleckte er die Zähne und erklärte ihr: »Ich spreche für mich selbst.«
»Sie verzichten also auf Ihr Recht, einen Anwalt zu dieser Vernehmung hinzuzuziehen?«
»Wie oft muss ich es noch sagen, du dusselige Kuh?«
»Das dürfte genügen. Für das Protokoll: Mr Chase hat seine Anwälte entlassen und sich bereit erklärt, die Vernehmung ohne Rechtsbeistand fortzusetzen.«
Sie machte eine Pause und ein besorgtes, respektvolles Gesicht. »Erpressung, haben Sie gesagt? Das taucht natürlich alles in ein völlig neues Licht. Warum erzählen Sie uns nicht, wie alles angefangen hat? Sie wurden von Randall Sloan darüber informiert, dass Natalie Copperfield Fragen zu Ihren Büchern gestellt hatte«, setzte sie vorsichtig an ...
... und er fing an zu reden und erzählte ihr auch noch die winzigsten Details.
21
Peabody hielt eine Dose Pepsi in der Hand, als Eve aus dem Verhörraum kam. »Normalerweise haben Sie Ihr Koffein nach einer heißen Vernehmung lieber in kalter Form«, erklärte sie und hielt auch Baxter eine Dose hin. »Wie es bei Ihnen aussieht, wusste ich nicht so genau.«
»Ich nehme es so, wie ich es kriegen kann.«
»Ja, das habe ich bereits von verschiedenen Frauen gehört«, stimmte Eve ihm zu, bevor sie den ersten großen Schluck aus ihrer Dose nahm.
Zum ersten Mal seit Stunden lachte Baxter laut. »Danke, dass ich dabei sein durfte, als Sie dieses Schwein auseinandergenommen haben, Dallas. Ich werde gleich Palma anrufen, damit sie weiß, dass der Bastard hinter Gittern sitzt.«
»Dallas, während Sie bei der Vernehmung waren, ist Jacob Sloan hier aufgetaucht. Sie haben ihn in den Pausenraum gesetzt.«
»Okay, ich werde sofort zu ihm gehen. Sie können währenddessen schon mal Bullock kommen lassen.«
»Sind Sie sicher, dass Sie vorher keine Pause machen wollen? Sie führen jetzt seit fast sechs Stunden pausenlos Verhöre durch.«
»Ich verknüpfe auch noch die letzten losen Fäden, schreibe meinen Bericht...« Sie rieb sich den steifen Nacken. »... und dann treten Sie und ich den Heimweg an.«
»Okay. Dann lasse ich sie raufbringen.«
Eve trug ihre Dose in den Pausenraum, fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht und setzte sich Jacob Sloan gegenüber an den Tisch.
Er wirkte älter, gebrechlicher und vor allem vollkommen erschöpft.
»Mr Sloan, Sie sollten nach Hause fahren und mit Ihrer Familie zusammen sein.«
»Hat Winfield Chase meinen Sohn getötet? Ich habe meine Quellen«, erklärte er, als Eve die Brauen hochzog. »Ich weiß, dass er zusammen mit seiner Mutter verhaftet worden ist. Da ich mir nicht vorstellen kann, dass Madeline mehr als die Fäden gezogen hat, möchte ich wissen, ob Winfield meinen Sohn getötet hat.«
»Ja. Er hat eben gestanden. Er hat den Selbstmord inszeniert, damit es so aussieht, als ob Ihr Sohn in die Morde an Natalie Copperfield und Bick Byson verwickelt gewesen wäre, deren Ermordung er ebenfalls gestanden hat.«
Als er die Lippen zusammenpresste und unmerklich nickte, erhob sich Eve von ihrem Platz, brach ihren Boykott gegen die Getränkeautomaten, bestellte eine Flasche Mineralwasser, kehrte wieder an den Tisch zurück und stellte sie ihm hin.
»Danke.« Seine Finger zitterten, als er die Flasche nahm und an seine Lippen hob. »Mein Sohn war für mich in vielerlei Hinsicht eine Enttäuschung. Er war faul und egoistisch und hat seine Jugend, seine Ehe, seinen Ruf verspielt. Trotzdem war er mein Sohn.«
»Es tut mir sehr leid, dass Sie ihn verloren haben.«
Er nahm noch einen vorsichtigen Schluck aus seiner Flasche und atmete hörbar aus. »Natalie und Bick, die beiden waren intelligent und vor allem durch und durch integer. Ihr gemeinsames Leben hatte gerade erst begonnen. Ich werde bis an mein Lebensende bedauern ...« Wieder presste er die Lippen aufeinander.
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