In Liebe und Tod
was schwangeren Frauen alles passieren kann.«
»Am häufigsten werden wir von Schwangeren gerufen, die von den Vätern ihrer Kinder bedroht oder misshandelt worden sind.«
»Was verdammt traurig ist.« Er blickte über die Straße auf die Leute, deren Atem kleine weiße Wölkchen bildete, während sie durch die Kälte liefen, sah aber vor seinem geistigen Auge die dunklen Gassen Dublins und die bedrohliche Gestalt von Patrick Roarke. »Damit stellen wir Menschen uns ein verdammtes Armutszeugnis aus.«
Da sie wusste, wo er in Gedanken war, nahm sie seine Hand. »Wenn er sie entführt hat, werden wir ihn finden. Und sie auch.«
»Bevor er ihr - oder ihr und dem Baby - etwas antut.« Jetzt blickte er sie an, sie sah in seinen Augen die Qualen der Vergangenheit. »Das ist das Allerwichtigste, nicht wahr?«
»Ja, das ist das Allerwichtigste.« Eve schüttelte den Kopf, während sie weiterlief. »Sie hat jemandem erzählt, wer der Vater ist. Vielleicht nicht hier in New York, aber zu Hause in England. Ich bin überzeugt davon, dass irgendjemand weiß, wer der Vater ist.«
»Vielleicht ist sie ja nach New York gekommen, um vor ihm zu fliehen.«
»Das habe ich mir auch schon überlegt. Also, lass uns nach Hause fahren und versuchen rauszufinden, wer er ist.«
»Tandy Willowby, achtundzwanzig Jahre.«.
Eve saß in ihrem Arbeitszimmer und las die Daten von ihrem Computerbildschirm ab. »Geboren in London. Eltern Annalee und Nigel Willowby. Keine Geschwister. Die Mutter ist 2 044 gestorben. Da war Tandy zwölf. 2049 hat der Vater ein zweites Mal geheiratet, eine gewisse Candide Marrow, geschieden, mit einem Kind aus erster Ehe. Einem Mädchen, Briar Rose, geboren 2035.
Der Vater, Nigel Willowby, ist 2051 ebenfalls verstorben. Pech. Aber ihre Stiefmutter und ihre Stiefschwester sind noch quicklebendig. Computer, ich brauche die Adressen von Candide Willowby oder Candide Marrow und von Briar Rose Marrow. Die Geburtsdaten und Identifikationsnummern liegen bereits vor.«
Einen Augenblick ...
»Falls du die beiden kontaktieren willst, denk bitte daran, dass es in England schon nach eins ist, Eve.«
Stirnrunzelnd sah sie auf ihre Uhr. »Wie ätzend. Aber okay, dann warte ich mit meinen Anrufen eben bis morgen früh.«
Laut Computer lebte Candide inzwischen in Sussex, während Briar Rose in London geblieben war.
»Also zurück zu Tandy. Guck mal, sie hat über sechs Jahre als Geschäftsführerin in einem Kleidergeschäft in der Carnaby Street gearbeitet. Und hat die ganze Zeit ein und dasselbe Apartment in London bewohnt ...«
»In England heißt das nicht Apartment, sondern flat.«
»Ich kenne nur flat rates. Wie kann man - oh.« Sie rieb sich den Nacken, wandte sich dann aber erneut dem Bildschirm zu. »Also gut, sie hat in einer flat gelebt, auch wenn das für mich nicht den geringsten Sinn ergibt. Aber sie hat nicht nur über sechs Jahre lang denselben Job, sondern auch dieselbe flat gehabt. Sie hatte sich in ihrem Leben eingerichtet, Wurzeln geschlagen, ihre festen Gewohnheiten gehabt. Wir sollten mit dem Besitzer dieses Ladens sprechen.«
Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, starrte die Decke an und fügte nachdenklich hinzu: »Wenn sie einen Freund hatte, schätze ich, dass auch das was Dauerhaftes war. Sie ist ganz sicher nicht der Typ, der von einem Bett ins nächste hüpft. Aber als sie schwanger wurde, ist sie nicht nur innerhalb von England oder wenigstens Europa umgezogen, sondern hat mehr als viertausend Kilometer zwischen sich und diesen Mann gebracht. Hat nach Jahren ihren Job und ihre Wohnung aufgegeben. Was ganz bestimmt nicht einfach irgendeine Schnapsidee gewesen ist, nicht bei jemandem wie ihr. Das war ein großer Schritt, über den sie gründlich nachgedacht hat und für den es einen wichtigen Grund gegeben hat.«
»Das Baby.«
»Ja, ich würde sagen, dass das Kind der Grund für diesen Umzug war. Sie hat dafür gesorgt, dass ein ganzer Ozean zwischen diesem Kind und irgendjemandem oder irgendetwas liegt. Dafür muss es einen guten Grund gegeben haben, denn sonst hätte sie ihr Nest in ihrer Londoner flat gebaut.«
»Sie war ein Gewohnheitsmensch«, meinte ihr Mann. »Das waren die beiden anderen Opfer auch.«
»Lass uns hoffen, dass die arme Tandy nicht deren Schicksal teilt. Ich stelle erst mal eine Pinnwand für sie auf und halte die zeitlichen Abläufe darauf fest.«
»In Ordnung. Wenn ich dir bei dieser Sache nicht mehr helfen kann, schick doch einfach die namenlosen
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