In Liebe verführt
beeindrucken, der womöglich die Dreistigkeit besaß, die große Macht des Oberbefehlshabers der Orient-Armee zu bezweifeln.
Sie stieg an der Doppeltür der Villa aus, und der Colonel geleitete sie in eine riesige Eingangshalle mit Marmorboden, in der noch mehr Soldaten in der Nähe der holzgetäfelten Wände standen, in diesem Falle aber eher entspannt. Eine prächtige doppelte Treppe wand sich empor zu den oberen Stockwerken, und der Colonel, eine Hand unter ihren Ellenbogen gelegt, dirigierte sie hinauf.
Meg bemerkte zu ihrer Überraschung, dass sie nicht nervös war, obwohl sie sich allein und ohne Schutz in der Höhle des Löwen befand. Am oberen Ende der Treppe bog der Colonel in einen breiten, von Türen gesäumten Flur ein. Vor der Doppeltür am Ende des Flurs standen zwei Soldaten Wache. Colonel Montaine öffnete die Tür, ohne zu klopfen, und geleitete Meg in einen Raum, der offensichtlich ein Salon war. Ein silbernes Tablett mit einer Teekanne und Sèvres-Tassen stand auf einem niedrigen Tischchen neben einem mit Damast bedeckten Sofa.
»Der General wird gleich zu Euch kommen, Madame Giverny«, sagte er und verließ das Zimmer.
Meg zog die Handschuhe aus und trat zu einer Reihe von Fenstern, die einen prächtigen Blick auf eine lange, von einer Balustrade begrenzte Terrasse und den Hafen dahinter erlaubte. Es dauerte ziemlich lange, bis sich hinter ihr eine verdeckte Tür öffnete und General Bonaparte erschien.
»Madame Giverny, verzeiht, dass ich Euch warten ließ.«
Meg fühlte sich an einen stolzen Zwerghahn erinnert, als er so auf sie zukam, die eine Hand auf den leicht gerundeten Bauch gelegt. Meg empfand absichtliche Unpünktlichkeit als größte aller Unhöflichkeiten und entwickelte zusehends Abneigung gegen die Arroganz dieses Mannes.
»Ich bin sicher, dass Ihr sehr beschäftigt seid, General«, sagte sie mit einem unverbindlichen Lächeln. Sie schaute auf die Ormolu-Uhr auf dem Kamin. »Aber ich fürchte, ich habe nur noch sehr wenig Zeit. Meine Kutsche wird mich in einer halben Stunde abholen.«
Er wirkte zuerst beunruhigt, dann verärgert. »Montaine wird Euch nach Hause begleiten, Madame.«
Sie schüttelte fest den Kopf. »Ich möchte Euch auf keinen Fall weitere Unannehmlichkeiten bereiten.« Sie ging in Richtung Tisch. »Darf ich Euch einen Kräutertee einschenken, General?«
»Nein«, sagte er plötzlich. »Ich mag das Zeug nicht. Ich trinke ein Glas Rotwein.« Er ging zu einer Anrichte, auf der eine Reihe von Karaffen stand. »Aber gießt Euch selbst einen ein, Madame.« Dieser Gedanke war ihm offensichtlich erst in zweiter Linie gekommen.
Meg goss ruhig einen dünnen Strahl nach Verbena duftenden Tee in eine der zarten Tassen und wandte sich dann dem General zu, der jetzt mit einem vollen Weinglas in der Hand und finsterer Miene am Fenster stand.
»Habt Ihr womöglich irgendwelche Sorgen, General?«, erkundigte sie sich mit entgegenkommendem Lächeln und ging mit Tasse und Untertasse in der Hand über den Aubusson-Teppich auf ihn zu. »Vielleicht die Geschäfte der Vorbereitung Eurer Kampagne?«
»Unsinn«, schnaubte er. »Ich mache mir nie Sorgen darüber, wie meine Kampagnen verlaufen, Madame Giverny. Ich treffe Entscheidungen und halte mich daran.« Er stand mit seinen kurzen Beinen breitbeinig da und blitzte sie nun mit einem nicht mehr ganz so finsteren Blick an. Es erschien sogar ein interessierter und anerkennender Schimmer in seinen Augen, als er ihr Aussehen genauer betrachtete.
Meg setzte sich graziös auf die gerollte Lehne einer Chaiselongue, nippte an ihrem Tee und sah ihn dabei kokett über den Rand ihrer Tasse an. »Ich muss zugeben, dass Ihr nicht wirkt wie von Sorgen gebeugt, General.«
Er lachte. »Niemals, Madame. Ich bin mir meines Erfolges ebenso sicher wie der Tatsache, dass die Sonne morgen früh wieder aufgehen wird.« Er kam zu ihr herüber, nahm ihr die Tasse aus der Hand, stellte sie auf eine Anrichte, ergriff ihre Hände und zog sie hoch. »Bitte, Nathalie, wir wollen nicht ganz so förmlich sein. Nathalie ist so ein hübscher Name.«
Sie lächelte. »Und wie soll ich Euch anreden, mein Herr?«
»Ihr dürft Napoleon zu mir sagen«, erlaubte er und zog sie näher zu sich heran. »Ach, was für ein köstlicher Duft.« Er neigte den Kopf und küsste sie hinter dem Ohr.
Meg beugte sich mit einem erschreckten Protest zurück. »Mein Herr… Napoleon! Bitte!«
»Aber ich bitte Euch«, sagte er und lachte. »Spielt mir hier nicht das Unschuldslamm
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