In Liebe verführt
verwirren. »Hier natürlich.«
Schweigend betrachtete Meg das schmale Kistenbett und dann ihn.
»Ja, für zwei ist das etwas eng«, gab er zu. »Außer natürlich, man kuschelt gerne zusammen.« Als sie weiterhin schwieg, sagte er mit einem leisen Lachen: »Du brauchst nicht um deine Tugend zu fürchten, Miss Meg. Ich spanne eine Hängematte auf.« Er deutete auf zwei Haken an der Decke, die sie schon bemerkt und über deren möglichen Sinn und Zweck sie nachgedacht hatte. Leise vor sich hin pfeifend ging er hinaus.
Meg hatte das Gefühl, dass sie bei diesem Scharmützel nicht so brillant abgeschnitten hatte. Es wurde ihr klar, dass Kapitän Cosimo ein Spielchen mit ihr spielte. Es schien ihm Spaß zu machen, sie aufzuziehen, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen und ihr Unbehagen zu verursachen. Kam das daher, dass sie ihn im Laufe des Tages verärgert hatte, weil sie auf seine Flirtversuche nicht eingegangen war? Falls es so war, konnte sie ihm keinen Vorwurf daraus machen. Sie selbst hätte wahrscheinlich ähnlich reagiert. Doch im Grunde glaubte sie nicht, dass Cosimo ein nachtragender Mensch war. Was also hatte er wirklich vor?
Wenn sie hier sitzen blieb und sich in ihren Umhang verkroch, würde sie es gewiss nicht herausfinden. Sie trat also erneut zum Kleiderschrank und inspizierte ihn. Das bronzefarbene Kleid, das sie vorhin getragen hatte, wäre schon in Ordnung gewesen, aber nach dem Bad hatte sie Sehnsucht nach frischen Sachen. Sie nahm ein salbeigrünes Seidenkleid heraus, das etwas formeller wirkte als die anderen. Silbrige Spitze säumte die drei viertel langen Ärmel, und ein passendes Band verzierte den schmalen Saum. Eigentlich hatte sie vorgehabt, etwas Unauffälliges anzuziehen, aber irgendeine seltsame Eingebung brachte sie dazu, sich mehr Mühe zu geben. Sie legte das Kleid über einen Stuhl und holte saubere Unterwäsche und ein paar wollene Strümpfe heraus.
Nach fünfzehn Minuten war sie angezogen. Der einzige verfügbare Spiegel war ein kleiner, runder, der in der richtigen Höhe zum Rasieren an der Wand angebracht war. Um ihr Gesicht zu sehen, musste sie sich auf die Zehenspitzen stellen. Ihr Haar war fast trocken, und sie benutzte einen Kamm, der auf einem Brett unter dem Spiegel lag, um ein wenig Ordnung in das Chaos ihrer Locken zu bringen. Das Kleid war genau wie das andere ein wenig zu groß, aber durch die Absätze an den ledernen Stiefeln mit den Knöpfen wurde sie zumindest etwas größer. Die Farbe stand ihr gut, sie trug häufig ähnliche Farben, also fand sie sich durchaus vorzeigbar.
Warum das allerdings für sie irgendeine Bedeutung haben sollte, war eine Frage, die sie momentan nicht beantworten konnte. Ein lautes Klirren und Scharren wie von einer riesigen Kette, die abgewickelt wurde, unterbrach ihren Gedankengang. Sie rannte zum Fenster. Die Mary Rose schien angehalten zu haben. Schrittegetrappel an Deck, laut gerufene Befehle und das Quietschen von Riegeln und Spanten ertönte von oben.
»Eingelaufen… eingelaufen…«, verkündete Gus und hopste zur Tür. »Wiedersehn… Wiedersehn.«
Also hatten sie Anker geworfen. Das erklärte den Lärm und die Aktivitäten. Und der Papagei wollte jetzt auch nach draußen. Nun gut, Meg war ebenfalls bereit.
Sie legte sich den Umhang um die Schultern, machte die Tür auf – und Gus flog auf ihre Schulter, wo er vorsichtig an ihrem Ohrläppchen zupfte. »Das ehrt mich ungemein«, lachte sie nach dem ersten Schreck und freute sich, dass der Vogel sie nun klar akzeptierte.
Sie stieg die Treppe hinauf und an Deck, wo die letzten Segel gerade zusammengebunden wurden. Das Licht war fast völlig verschwunden. Der Abendstern stand tief am Himmel, und ein drei viertel voller Mond lugte gerade über den Horizont. Sie blieb an der Luke stehen, weil sie nicht zum Oberdeck gehen wollte, solange nicht alle Arbeiten abgeschlossen waren. Gus hatte keine derartigen Bedenken. Er flatterte von ihrer Schulter auf und hinüber zu einem heruntergelassenen Segelbaum. Auf dem trippelte er entlang, als wäre es ein Schwebebalken, und segelte schließlich hinüber zum Oberdeck. Meg sah Cosimo am Steuerruder stehen, wo er mit ruhiger und weittragender Stimme Anweisungen gab. Der Umhang hing lose von seinen Schultern, er stand mit leicht gegrätschten Beinen, und die abendliche Brise zauste sein langes, braunes Haar an den Ohren und auf der Stirn. Er hatte eine nahezu draufgängerische Ausstrahlung, dachte sie, mit einem unerschütterlich wirkenden
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