In Liebe verführt
verfolgt, in denen nicht vorgesehen war, sie nach England zurückzuschicken. Das war eindeutig ein Irrtum gewesen. Er brauchte ihr Vertrauen.
»Wie ich schon sagte, gibt es immer eine vage Möglichkeit, aber…« Er hob eine Hand, als sie ihn unterbrechen wollte. »Aber was sicher möglich ist, sobald wir an Land kommen: Ich kann dafür sorgen, dass innerhalb von sechsunddreißig Stunden eine Person deiner Wahl in England eine Nachricht von dir erhält.«
Ihre Augen wurden groß, und der vorwurfsvolle Blick milderte sich. »Wie?«
»Eine Brieftaube.« Mit dieser Information verriet er nur wenig. Sie nahm sowieso schon an, dass er irgendwie mit der Marine zu tun hatte. Also würde es sie kaum überraschen, wenn sie erfuhr, dass er Zugang zu den Marinebrieftauben hatte.
Meg verdaute diese Information schweigend. Dieser Weg war sinnvoll und würde die schmerzliche Wartezeit ihrer Familie schneller beenden, als es die Fahrzeit jedes Fischerboots tun könnte. Die Taube würde zu ihrem englischen Heim fliegen und ein Mensch den weiteren Brieftransport besorgen. Allerdings hatte die ganze Sache etwas sehr Abenteuerliches an sich. Alle möglichen Fragen kamen ihr in den Sinn, die sie jedoch sofort unterdrückte. Cosimo war extrem geizig mit seinen Informationen, also antwortete sie nur: »Danke. Das erleichtert mich.«
»Gut.« Er wandte sich der Reling neben ihr zu und griff nach dem Fernrohr. Das Land in der Ferne war plötzlich klarer zu erkennen. Er schaute hinauf zu dem Wimpel auf dem Hauptmast. Er bewegte sich ganz leicht.
»Wind, Kapitän«, rief eine Stimme aus dem Nichts. Blitzartig kam Bewegung in die Mannschaft. Männer, die eben noch untätig auf Deck gelegen hatten, sprangen auf, andere kletterten durch Luken unter dem Deck hervor, und ein breitschultriger Mann machte sich am Steuerruder zu schaffen.
»Segel setzen!«, rief Cosimo und hielt sich dabei die Hände wie ein Trichter an den Mund. Sofort turnten etliche Matrosen in die Takelage. Meg sah fasziniert zu, wie die Segel ausgewickelt und von einem plötzlichen Windstoß klatschend gebläht wurden. Dann rief Cosimo, den Blick auf die Segel gerichtet, den nächsten Befehl, und der Steuermann drehte das Steuer. Die Mary Rose nahm Kurs auf Sark, und die Segel füllten sich mit jedem Windstoß weiter.
»Noch rechtzeitig?«, fragte Meg.
»Nein«, antwortete Cosimo. »Wir werden bis zum Einbruch der Dunkelheit brauchen, um zwei Meilen vor den Hafen zu kommen. Dort werden wir ankern und beim ersten Tageslicht einlaufen. Entschuldige mich…« Er wandte sich ab, lief leichtfüßig über das Oberdeck, die Stufen hinunter und in Richtung Luke.
Meg blieb, wo sie war, bis sie sich überflüssig zu fühlen begann. Sie glaubte nicht, dass sie jemandem im Weg war, aber es fiel ihr schwer, inmitten von so viel Aktion die einzig untätige Zuschauerin zu sein. Sie schaute sich nach Gus um. Er war nirgendwo zu sehen, und sie vermutete, dass er sich in die friedliche Kajüte zurückgezogen hatte. Sie schlüpfte zwischen den Matrosen hindurch zur Luke und stieg die Treppe hinunter. Die Kajütentür war geschlossen.
Sie betrachtete sie einen Moment, dann beschloss sie, dass dem einen recht sein musste, was dem anderen billig war, und klopfte kräftig. Gus rief sein ›Herein‹ gleichzeitig mit Cosimo.
Sie trat ein. Cosimo sah nicht von den Seekarten auf. Er arbeitete mit Kompassen und machte sich dabei kurze Notizen, die sie an die seltsamen Anmerkungen am Rand des Textes im Wörterbuch erinnerten. Er sagte über die Schulter: »Klingele nach Biggins. Er kann dir ein Bad einlassen mit dem heißen Wasser, das wir ansonsten wegschütten würden, weil wir wieder unterwegs sind. An Deck kannst du nichts mehr tun, und ich bin in fünf Minuten hier fertig.«
Meg stellte fest, dass ein heißes Bad der unerwartetste und daher wunderbarste Genuss war, den sie sich derzeit vorstellen konnte. »Danke, gerne.« Sie ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
»Du wirst dich an Gus’ Gegenwart gewöhnen müssen. Er will nicht an Deck, wenn wir in einer steifen Brise segeln«, erklärte Cosimo, nach wie vor über die Karten gebeugt. »Du kannst ihn in seinen Käfig setzen und diesen zudecken, wenn du willst.«
Meg betrachtete Gus, der auf seiner Stange saß und friedlich an seinen Flügelfedern zupfte. »Ich werde darauf vertrauen, dass er die Augen zukneift.«
Cosimo richtete sich auf. »Gut.« Er ging zur Tür.
Meg hatte das Gefühl, dass er sie in diesem Augenblick
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