In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
konnte es nicht ändern, er reagierte gereizt.
Der Russe zuckte die Achseln, erhob sich und ging die Straße hinunter. »He, Fjeld, kannst du mal kommen? Hier gibt es Spuren im Neuschnee. Sie führen zum Stall. Nur ein paar Tropfen. Siehst du?«
Knut nickte. Er sah die Flecken auf der Straße, die im Mondlicht schwarz aufleuchteten. Der Russe konnte Recht haben, dass es sich um Blut handelte.
»Hörst du? Den Krach aus dem Stall?«
Jetzt hörte auch Knut den Lärm in der Ferne, ein wahnsinniges Quieken und Schnaufen und dazwischen so etwas wie Schläge und Poltern. »Wir müssen uns ansehen, was da unten vor sich geht.«
Im gleichen Moment erkannte er das Problem. Jemand musste auf den Tatort achten und dafür sorgen, dass er unberührt blieb. Jewgeni Iwanowitsch holte Igor und einen der Büroangestellten des Trusts. Widerwillig erklärten sie sich bereit, den Toten zu bewachen. Die Männer machten einen verärgerten und unwilligen Eindruck, doch Knut vermutete, dass es sich eher um Angst handelte. Nicht sonderlich überraschend; wie es aussah, schien jeder Grund zur Furcht zu haben.
Knut und Rostov gingen allein zum Stall. Das Mondlicht warf scharfe Schatten über den Schnee, hin und wieder blitzte eine Eisfläche auf, in der sich das Licht fing. Sie hätten auch auf einem nächtlichen Spaziergang sein können, auf dem Heimweg von Freunden. Aber die Blutstropfen, die hier und da im Schnee zu sehen waren, warnten vor etwas anderem, etwas Unheimlichem, das sie erwartete.
Der Lärm nahm mit jedem Schritt in Richtung Stall zu. Knut fiel auf, dass in dem Fenster kein Licht mehr zu sehen war. Was brachte die Hühner und das Schwein so auf? Sie blieben vor dem großen Eingangstor stehen. Das eiserne Vorhängeschloss lag auf der Erde, es sah aus, als stünde das Tor einen Spalt offen. Der Russe legte einen Finger auf die Lippen. Knut hatte einen Moment das Gefühl, in Gelächter ausbrechen zu müssen. Wer hätte sie bei all dem Radau aus dem Stall hören können?
Rostov zog einen Revolver aus der Innentasche seines geräumigen Anoraks. Knut zuckte bei dem Anblick zusammen, daran hätte er auch denken müssen. Hatte der Russe sich die Waffe beschafft, nachdem er nach Barentsburg gekommen war? Vorsichtig schoben sie das Tor auf und schlichen hinein. Es war dunkel, nur das Mondlicht fiel schwach durch die Fenster. Vor ihnen lag ein langer, dreckiger und übelriechender Gang. Dem Lärm nach zu urteilen, musste der Hühnerstall hinter einer der nächstgelegenen Türen sein. Der Ermittler ging an Knut vorbei den Gang hinunter. Seine Schritte knirschten auf dem Kies und etwas, das aussah wie altes Stroh.
Sie erreichten eine weitere Tür und sahen durch einen Spalt Licht brennen. Aus diesem Raum kam das grässliche Quieken. Knut hatte wenig Lust herauszufinden, was sich auf der anderen Seite befand, aber er zwang sich, dem Russen zu folgen, als der die Tür aufstieß und den Stall betrat.
Er drehte sich abrupt um und schob Knut beiseite. »Mein Gott, ist das widerlich …«
Der weiße Eber hing mit zwei Beinen über der niedrigen Pforte des Kobers und versuchte herauszukommen. Sein Gewicht hinderte ihn. In unregelmäßigen Abständen sprang er herunter und rannte durch den Kober, dass Gülle und Mist aufspritzten. Dabei stieß er ein gellendes, unerträgliches Quieken aus. Dann warf er sich wieder gegen die Pforte und verdrehte wild die blutunterlaufenen Augen. Speichel tropfte aus der halb geöffneten Schnauze mit den blutigen Hauern.
Jewgeni Iwanowitsch sah aus, als müsse er sich gleich übergeben. »Fjeld, ich kann mir das nicht noch einmal ansehen. Geh ein bisschen näher ran, dann begreifst du … aber sei um Himmels willen vorsichtig. Das Schwein könnte herauskommen … ich bin nicht sicher, ob ich es schaffe, es mit dem Revolver zu erschießen.«
Knut beugte sich vorsichtig über die Mauer und sah in den Kober. Der Boden war bedeckt mit Schweinekot, Stroh und irgendwelchen roten Fleischfetzen … von jemandem. In einer Ecke lag das, was einmal ein großer Zinkeimer gewesen sein musste. Nun war er so verbeult und malträtiert, dass er nur noch auf den Müll geworfen werden konnte.
In der anderen Ecke lagen die Reste eines Mannes. Es handelte sich um den Stallknecht, oder das, was noch von ihm übrig war. Es sah aus, als wäre er selbst dorthin gekrochen, um dem Schwein zu entkommen. Sein Körper bildete mit dem Dreck, der den Boden bedeckte, eine zusammengetretene Masse – die Arme und Beine waren
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