In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
zerschmettert, Knochen stachen in allen möglichen Winkeln hervor, Bauch und Brustkasten waren aufgeplatzt. Knut meinte, die weißen Rippen zu sehen. Trotzdem war es nicht schwer zu erkennen, um wen es sich handelte. Mit Ausnahme einer tiefen Wunde, die eine Seite des Kiefers entblößte, war das Gesicht relativ unversehrt. Direkt über dem rechten Auge gab es eine Stelle, die wie ein Einschussloch aussah. Knut konnte nicht mehr, er musste sich umdrehen. Er stolperte in den Gang und übergab sich im Freien in den Schnee.
Hinter ihm hörte er die Schritte des Russen. »Das ist das Schlimmste, was ich je gesehen habe«, sagte er. »Wir müssen dem ein Ende setzen, wir müssen denjenigen finden, der hinter den Morden steht. Es muss sich um einen sehr kranken Menschen handeln.«
KAPITEL 31 Gegensätze
Jewgeni Iwanowitsch besorgte ein großkalibriges Gewehr aus dem Zechenbüro. Er bat Knut, es zu nehmen, und erklärte es mit seiner Kurzsichtigkeit. Dann stellte er sich mit dem Revolver ans Tor. Sie ließen den Eber aus dem Kober, um ihn zu erschießen. Wie erwartet war es nicht so einfach. Das wütende, halb wahnsinnige Schwein rannte in die Schneewehen, warf den Kopf hin und her und griff jeden an, der sich ihm näherte. Die meisten Schüsse gingen daneben, doch auch mehrere Treffer in den Schädel schienen die dicke Stirnschwarte nicht durchschlagen zu haben. Erst als das Schwein ihnen die Breitseite bot, bekam Knut die Chance, einen Schuss in die Brust abzufeuern. Der Eber brach mit den Vorderbeinen in die Knie und fiel mit der Schnauze voran in eine Schneewehe. Trotz dieses nächtlichen Albtraums empfand Knut Mitleid mit dem Schwein, das nun in seinen letzten krampfhaften Zuckungen vor ihm lag. Das Tier traf schließlich keine Schuld.
Nach all dem Getrampel an den beiden Tatorten war es unmöglich, die Spur eines möglichen Täters zu finden. Grubenlampen wurden aus dem Lager der Tagebauanlage geholt und so aufgestellt, dass sie die Mordszenerien am besten ausleuchteten. Die wenigen Fußspuren, die noch zu erkennen waren, konnten auch Knut oder Jewgeni Iwanowitsch gehören. Sogar die Blutstropfen auf der Straße waren so gut wie verschwunden. Was sie fanden, sammelten sie trotzdem in Plastikbeutel. Es war auch nicht sonderlich hilfreich, dass große Schneeflocken aus dem dunklen Himmel herabsegelten.
Die beiden Ermordeten wurden ins Krankenhaus gebracht. Der russische Detektiv begleitete die Leichen; er wollte mit dem Arzt sprechen und eine Obduktion vorbereiten lassen – so gut es unter diesen Umständen möglich war. Im Laufe der Nacht hatten sie noch keine Zeit gefunden, über irgendwelche Mordmotive nachzudenken, aber Knut beschloss, möglichst viele von Igors und Olgas Gästen zu vernehmen. So bald wie möglich und noch bevor sie miteinander reden konnten und ihre frischen Eindrücke mit allzu vielen Theorien über die Ereignisse zerstörten.
Der Dolmetscher tauchte unter den entsetzten Zuschauern an der Treppe des Wohnblocks auf. Knut bat ihn, bei den provisorischen Vernehmungen mit der Übersetzung zu helfen. Allerdings hatte er keine große Hoffnung, dass etwas Wesentliches bei diesen Befragungen herauskam – und er sollte Recht behalten. Die meisten Gäste hatten nichts zu berichten. Sie waren in der Wohnung gewesen, als der Mord fünf Etagen unter ihnen verübt wurde. Einer von ihnen, der Büroleiter, hatte einen Schuss gehört. Er war erbost, dass so nahe der Stadt geschossen wurde – in den letzten Jahren kam es immer häufiger vor. Er wollte die Regeln für das Tragen von Waffen verschärfen. Jetzt, da er als neuer Bergwerksdirektor vorgesehen war, hatte er die Möglichkeit dazu.
Nach den Vernehmungen ging Knut allein zum Krankenhaus. Nicht eine Krankenschwester war zu sehen. Er versuchte, den Operationssaal zu finden, in den man die Toten gebracht hatte. Seine Schritte hallten in den leeren Fluren wider. Knut machte sich nicht die Mühe, nach einem Lichtschalter zu suchen. Das schwache Licht der Straßenlaternen reichte ihm. Die Schatten legten wechselnde Muster auf die Wände, und mehr als einmal blieb er stehen, um zu lauschen. Er spürte, dass es in diesem Gebäude Furcht gab – ein unangenehmes Gefühl, denn es schien berechtigt zu sein. Schließlich stand er vor den doppelten Klapptüren. Leise Stimmen von innen verrieten ihm, dass er den richtigen Saal gefunden hatte.
Die Leichen lagen auf zwei Operationstischen ein paar Meter voneinander entfernt und sahen in dem scharfen Neonlicht der
Weitere Kostenlose Bücher
Zehn Mal Fantastische Weihnachten. Zehn Online Lesen
von
Sandra Regnier
,
Teresa Sporrer
,
Jennifer Wolf
,
Cathy McAllister
,
Natalie Luca
,
Jennifer Jäger
,
Melanie Neupauer
,
Katjana May
,
Mara Lang
,
Lars Schütz
,
Pia Trzcinska