In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
aufeinanderschlugen.
Die Frauen zogen ihm rasch die nasse Kleidung aus. Die Ältere legte ihm eine grobe Wolldecke um und rubbelte ihn am ganzen Körper ab, bis es wehtat. Die dünne, groß gewachsene Frau feuerte einen großen runden Kohlenofen an. Sie sah, dass er verwirrt war, und erklärte: »Wir hatten ein Treffen der Theatergruppe im Gemeinschaftshaus der Frauen. Es liegt in der Mitte der Siedlung, an der Hauptstraße. Sie können es gar nicht übersehen. Ein schönes blaues Holzhaus mit weißen Fensterbrettern. Wunderbare Aussicht auf den Fjord.« Sie war sichtbar stolz auf diese Räume. »Dort nähen wir die Kostüme für unsere Kulturveranstaltungen, außerdem üben wir ein paar Lieder und Tänze. Eines unserer Mitglieder stand vor der Tür und rauchte. Sie hat gesehen, wie Sie die Treppe hinaufkrochen. Wir haben vermutet, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist, aber es ist nicht immer vernünftig, sich in Dinge einzumischen, die einen nichts angehen. Daher haben Ljuda und ich entschieden, dass wir nachsehen. Es hätte ja auch ein besoffener Seemann von einem der Kutter sein können …«
»Ihn hätten wir vermutlich nicht gerettet …« Die Frauen sahen sich an und lächelten.
»Erst als wir näher kamen, haben wir gesehen, dass es sich um den Polizeibeamten Fjeld handelt«, fuhr die große Dünne fort. »Was haben Sie denn da unten bloß gemacht? Und warum sind Sie ins Wasser gefallen?«
»Wer sind Sie?« Knut wandte sich an die Stämmige, presste die Frage zwischen seinen blau gefrorenen Lippen hervor. Die große Dünne hatte er wiedererkannt. Es war die Sekretärin des Bergwerksdirektors.
»Ich heiße Ljudmila Wyborova Babjuk.« Sie sah ihn neugierig an und sagte etwas auf Russisch zu der Sekretärin, die für Knut übersetzte. »Ljuda sagt, dass wir Sie zu den anderen Frauen mitnehmen werden, die oben im Haus warten, vielleicht können wir Sie ja vorführen? Nicht viele von uns haben schon mal einen nackten Beamten der Regierungsbevollmächtigten gesehen … jedenfalls keinen, der blau angelaufen ist.« Sie übersetzte Ljudmila den Witz.
Diesen beiden Frauen verdankte er sein Leben, so viel verstand Knut. Allein hätte er die Treppenstufen hinauf zur Siedlung nie geschafft. Doch als er ihnen danken wollte, konnte er nicht. Seine Stimme war heiser, die Zunge wollte die Worte zwischen den klappernden Zähnen nicht formen. Die Stämmige sah ihn an und schüttelte den Kopf, sagte etwas auf Russisch und verschwand in der Küche. Einen kurzen Augenblick später kam sie zurück mit einer kleinen roten Flasche. Sie holte ein Glas aus dem Eckschrank im Wohnzimmer, goss den letzten Tropfen aus der Flasche ins Glas und reichte es ihm. Bedeutete ihm, alles auf einmal zu schlucken.
Bitter, süß, scharf … aber auch merkwürdig sinnlich, würzig … Knut hatte noch nie etwas Vergleichbares probiert. »Und stark«, ergänzte er, als der Branntwein eine Sekunde später tief unten im Hals zuschlug. Er hustete und japste nach Luft. Ljudmila drehte sich um, aber nicht so rasch, dass er nicht die Tränen in ihren Augen gesehen hätte. Was hatte er getrunken?
»Danke. Ganz herzlichen Dank. Ich hätte es allein nicht geschafft, glaube ich. Möglicherweise wäre ich erfroren und zur Statue eines Polizeibeamten geworden?« Seine Stimme war kaum zu verstehen, doch die Frauen lächelten.
»Ja, vielleicht«, erwiderte die Sekretärin kurz. »Am besten ziehen Sie sich trockene Sachen an … aber vermutlich haben Sie nur die nassen? Dann müssen Sie die wieder anziehen. Wenn Sie sich am Ofen aufwärmen und wir Sie schnell zum Hotel bringen, müsste es gehen. Hier sollten wir nicht länger als nötig bleiben.«
Splitternackt stand Knut unter einer Wolldecke am Kohlenofen und wärmte sich auf. Jetzt war nicht die Zeit, um schamhaft zu sein. Er schauderte bei dem Gedanken, seine Kleidungsstücke wieder anziehen zu müssen, die von den beiden Frauen ausgewrungen und unter ständigem Wenden vor den Ofen gehalten wurden.
»Sind Sie die Ljudmila, die das Hotel leitet?« Knut wandte sich an die Stämmige.
»Unter anderem, ja.« Sie zuckte die Achseln und wandte den Blick ab. Reichte ihm Unterhose und Hemd. »Ziehen Sie sich an, wir müssen gehen.«
Knut krümmte sich zusammen, als er die Sachen anzog. Im ersten Moment waren sie warm, die Frauen hatten sie am Ofen geradezu gebraten. Doch schon nach wenigen Sekunden fühlten sie sich auf der Haut kalt und klamm an. Er drehte sich um, als er sich die Socken überzog und hastig
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