In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
benutzter Grubenstiefel und zwei dicken bestickten Wollstrümpfen zurück. »Valenki«, sagte er, zeigte auf die Strümpfe und erklärte, es sei echtes russisches Handwerk, hier in der Bergarbeitersiedlung hergestellt.
Sie gingen in die Arbeiterkantine des Gemeinschaftshauses, um etwas zu essen. Knut war früher schon einmal dort gewesen, allerdings als Tourist, bei einer Führung. Heute war es anders. Er hatte das Gefühl, in der russischen Kleidung unter den übrigen Einwohnern zu verschwinden. Mit dem Dolmetscher setzte er sich an einen Tisch und bekam eine Schale Kohlsuppe und einen Teller mit Brot und Butter vorgesetzt. Es war eng in der Kantine, heiß und voller Bergleute, die von der Tagesschicht kamen. Ein beißender Geruch nach Kohle und Kalkstaub folgte ihnen, obwohl sie in der Kaue gewesen waren und sich umgezogen hatten. Alle hatten vom Kohlenstaub schwarze Ringe unter den Augen – er ließ sich kaum abwaschen, auch unter der Dusche nicht.
An einem anderen Tisch saßen ein paar große kräftige Männer für sich. Sie tranken Kaffee, rauchten und unterhielten sich gedämpft. Dann schauten sie Knut an und grinsten.
»Wer ist das?«, fragte er und nickte in ihre Richtung. »Sie sehen nicht aus wie Bergleute.«
»Fischer«, antwortete der Dolmetscher leise. »Sie wohnen in dem Wohnheim ganz unten am Hang. Was haben Sie denn gedacht? Dass da zwei Geisterschiffe am Kai liegen?« Er gestattete sich ein kleines Lächeln. »Sie warten auf ein paar Maschinenteile … jedenfalls ist das die offizielle Erklärung. Wir alle werden froh sein, wenn sie wieder weg sind. Mit ihrer ständigen Feierei halten sie nachts die Leute wach.«
»Ginge es nicht schneller, wenn man die fehlenden Teile direkt mit einem Festlandsflug aus Tromsø heranschafft?«
»Oh, oh, Polizeibeamter Fjeld. Denken Sie an die Kosten, wenn man Longyearbyen anläuft: Hafengebühr, Wassergeld, Strom, vielleicht kostet es sogar etwas, an Land zu gehen, was weiß ich? Norwegen ist ein reiches Land, alles ist teuer bei euch. Wir in Barentsburg sind nicht so wohlhabend wie ihr in Longyearbyen, aber wir lassen uns auch nicht so viel bezahlen. Ist man arm, ist man gern behilflich.«
Die Suppe schmeckte. Sie war mit Kohl, Zwiebeln, Kerbel und ein paar großen Fleischstücken zubereitet. Knut aß seit Tagen das erste Mal mit Appetit und trank einen großen Becher starken süßen Tee. Er gähnte, plötzlich war er so müde, dass er kaum die Augen aufhalten konnte. »Ich gehe jetzt ins Hotel und schlafe ein wenig. Bitte wecken Sie mich, wenn der Hubschraubertransport nach Longyearbyen bevorsteht.«
Er ging allein zurück ins Hotel, ließ sich auf sein Bett fallen und schlief mit dem beruhigenden Gurgeln der Heizung im Ohr ein.
KAPITEL 14 Der Koordinator
Knut schreckte auf und wusste einen Augenblick nicht, wo er war. Er blieb im Bett liegen und schaute verständnislos auf das schwache Licht der Straßenlaterne vor dem Fenster … der Kleiderschrank, das Waschbecken, der niedrige Tisch zwischen den Betten. Dann kam die Erinnerung zurück – und mit ihr das unangenehme Gefühl, dass er sich in Barentsburg wie ein Trottel benahm.
Es schien mitten in der Nacht zu sein. Im Hotel war es vollkommen ruhig. Auch vom Platz drang kein Laut herein. Dennoch war es nicht so spät, wie er gedacht hatte, die Uhr zeigte kurz nach zehn.
Das nasse Bündel mit seinen Kleidungsstücken hatte er aufs Bett geworfen, ohne die Sachen aus der Plastiktüte zu nehmen und aufzuhängen. In einem Anflug schierer Panik fiel ihm ein, dass Kamera, Handy, Notizblock und andere Kleinigkeiten in der Innentasche seiner Jacke steckten. Alles war noch da. Die Tasche war relativ weit oben im Flanellfutter angebracht, der Reißverschluss hatte verhindert, dass seine Ausrüstung herausfiel, als er in den Fjord stürzte.
Er legte alles auf den Tisch. Die Kamera war neu – eigentlich ein Prototyp. Allerdings war die Digitaltechnik für Fotoapparate noch nicht sehr weit entwickelt, die Bildqualität war bei Weitem nicht akzeptabel. Die Bilder ließen sich als eine Art fotografischer Merkzettel gebrauchen, doch sie waren nicht gut genug, um als Dokumentation in einer Ermittlung zu dienen.
Die Kamera war feucht, glücklicherweise tropfte jedoch kein Wasser heraus. Knut hatte keine großen Hoffnungen, dass sie noch funktionierte, immerhin hatte sie mehrere Minuten in Salzwasser gelegen. Er nahm die Speicherkarte heraus, ging zum Waschbecken und spülte die Kamera und die Karte rasch unter
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