In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
kaltem Wasser ab. Sorgfältig trocknete er sämtliche Teile mit dem Zipfel eines Handtuchs und legte die Kamera auf den Tisch.
Das Handy steckte in einem engen Futteral aus Kunstleder mit einem Reißverschluss. Das Display war unter einem durchsichtigen Kunststofffenster zu erkennen. Das Telefon hatte es ziemlich gut überstanden, es war nicht einmal sonderlich feucht. Sollte er es im Waschbecken abspülen? Besser, er ließ es. Knut wischte es trocken und legte es ebenfalls auf den Tisch; er wartete noch mit dem Anschalten.
Bei seinem Notizbuch handelte es sich um einen ganz gewöhnlichen gelben Block mit einer Spiralbindung am oberen Ende. An einem Gummiband, das die Seiten zusammenhielt, steckte ein Bleistift. Er benutzte Bleistifte, weil sie immer funktionierten, egal wie feucht es irgendwo war. Der Notizblock war durchnässt, die Seiten klebten aneinander. Er musste sie trennen, solange sie feucht waren, allerdings waren einige Blätter so nass, dass sie sich zwischen seinen Fingern auflösten. Nicht so schlimm. Vor dem Flug nach Barentsburg hatte er im Büro ein zweites Notizbuch mitgenommen, außerdem waren lediglich die ersten Seiten beschrieben. Mit großer Geduld löste er die Blätter voneinander und breitete sie auf dem Tisch zum Trocknen aus.
Noch immer war es vollkommen ruhig im Hotel. Er griff zu seinem Handy, schaltete es ein und schaute nervös auf das Display. Wenn es nicht funktionierte, hatte er sich vielleicht um seine einzige Chance gebracht, ungestört mit dem Polizeichef reden zu können. Er wunderte sich über seine eigene Ängstlichkeit und wie viel ihm dieses Gespräch bedeutete. Doch das Display leuchtete auf. Erleichtert ließ er sich aufs Bett fallen.
»Knut? Bist du nicht in Barentsburg?« Toms Frau nahm den Anruf entgegen, er hatte es zuerst unter der Privatnummer versucht. Der Polizeichef war ein treuer Familienvater mit vier Kindern, der in der Regel nachmittags seine Arbeit unterbrach, um ein paar Stunden mit seiner Familie zu verbringen. Später saß er dann häufig noch einmal im Büro. Knut dachte ängstlich an seine Batteriekapazität und beendete das Gespräch so rasch wie möglich. Es war nicht so einfach. Die Familie von Toms Frau lebte seit drei Generationen in Longyearbyen, und sie war gern über sämtliche Ereignisse auf Spitzbergen informiert.
In der Telefonzentrale ließ er es wieder und wieder klingeln. Knut sah die Empfangsdame vor sich, den Eisbären, die Flure zu den Büros, das Sitzungszimmer hinter der Glasscheibe. Wenn Tom heute Abend arbeitete, wieso ging er dann nicht ans Telefon? Wahrscheinlich hatte niemand daran gedacht, von der Zentrale auf den Wachhabenden umzuschalten – normalerweise eine unverzeihliche Nachlässigkeit. Irgendetwas Außergewöhnliches ging da gerade in Longyearbyen vor sich.
Knut legte sich aufs Bett, starrte apathisch an die Decke und wartete eine halbe Stunde. Dann rief er noch einmal das Büro an. Keine Antwort … er wollte gerade auflegen, als das Telefon endlich abgenommen wurde. Der Polizeichef ist beschäftigt, sagte der Mann am anderen Ende der Leitung, eine Stimme, die Knut nicht kannte. Niemand aus dem Büro der Regierungsbevollmächtigten. Knut explodierte, wurde laut. Er müsse augenblicklich mit Tom sprechen. Oder mit Anne Lise. Ihm sei es egal, womit sie beschäftigt wären, er müsse mit ihnen Kontakt aufnehmen. Sofort.
»Oder was sonst?« Toms Stimme hörte sich angenehm ruhig an. Fast ein wenig spöttisch.
»Warte, bis du gehört hast, was ich dir zu berichten habe, und unterbrich mich nicht, weil ich nur noch verdammt wenig Saft in meinem Handy habe. Übrigens ein Wunder, dass es überhaupt noch funktioniert.« Knut erzählte von der missglückten Inspektion der russischen Fischkutter.
»Mein Gott, Knut, du bist immer so unvorsichtig. Ich wollte lediglich die Namen und die Häfen, in denen sie registriert sind. Hättest du nicht jemand zum Kai mitnehmen können? Es muss doch eine Person in Barentsburg geben, zu der du Vertrauen hast?« Der Polizeichef war wieder ernst geworden.
»Ich dachte … ich hatte nach unserem Gespräch den Eindruck, dass ich diskret vorgehen sollte.«
»Ja, ja, natürlich. Warte mal Knut, ich schalte den Lautsprecher an. Wir sitzen im Sitzungszimmer, weißt du, Anne Lise ist auch hier. Und ein paar Leute von der Küstenwache …«
»… sieh zu, dass der Konsul informiert ist. Ihm kannst du ganz sicher trauen …« Die Regierungsbevollmächtigte hatte sich eingeschaltet. Knut hörte,
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