In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Brieder und Schwestern aus Costentz verwiesen oder auf Scheiterhaufen verbrannt. Daher ihr versteht vielleicht mein Misstrauen. Aber nun gut, der Herr Sekretär ist ein kluger Mann und gewaschen mit allen Wassern der Rhetorik, und so will ich Euch denn erzählen, was ich weiß. Doch ich bin eben nur ein armer Jud, und wenn der Vogt erfährt, dass ich habe gesprochen mit Euch über die Sache, er wird mir viel Ärger machen. Also Ihr misst mir versprechen, dass alles, was ihr hier erfahrt, bleibt unter uns.«
Cunrat wusste zwar nicht, was Rhetorik bedeutete, aber ihm genügte es, dass Meister Ismael bereit war, ihnen zu helfen, und so versprach er beim Leben seiner Mutter, niemandem gegenüber je ein Wort verlauten zu lassen über das, was hier gesprochen wurde. Nachdem auch Giovanni und Poggio – Letzterer auf Latein – ihr Versprechen abgelegt hatten, bat der Arzt sie, am Tisch Platz zu nehmen. Ein Diener stellte ihnen Kastenhocker hin, dann rief Meister Ismael seine Tochter, sie solle Wein bringen.
»Ich habe eigenen Weinberg vor den Toren von Costentz. Es ist nicht Malvasier, aber er schmecket dennoch!«
Als Ismaels Tochter eintrat, schnappte Giovanni nach Luft. Sie war ein Mädchen von etwa 17 Jahren, außerordentlich hübsch, mit langen schwarzen Zöpfen und dunklen Augen. Ihr grünes Kleid mit der hohen Taille und den engen Ärmeln betonte die ruhigen, fließenden Bewegungen, mit denen sie die Gäste des Vaters bediente. Cunrat fragte sich, ob Giovanni wohl noch an Lucia dachte.
»Meine Tochter Hendlin!«, stellte Meister Ismael die junge Frau vor. »Seit dem Tod meiner Frau Sara sie führt das Regiment hier im Haus.« Mit einem verschmitzten Lächeln fügte er hinzu: »Ich und meine Söhne gehorchen brav ihren Geboten!«
Hendlin lächelte zuerst auch, aber dann bildete sich eine strenge Falte zwischen ihren Augenbrauen. Sie schien den Spott des Vaters nicht zu schätzen.
Cunrat indes interessierte sich mehr für den Wein, der mit Nelken und anderen Spezereien gewürzt und ordentlich heiß war, sodass ihm ganz warm wurde, sowie für die leckeren Süßigkeiten, die Hendlin dazu serviert hatte und die sogar ihm als Bäcker unbekannt waren, kleine Kuchen mit Mandeln, getrockneten Früchten und allerlei orientalischen Gewürzen. Er fragte sich, warum man immer so schlecht über die Juden sprach. Weil sie den Herrn Jesus ans Kreuz geschlagen haben, hatte Bärbeli gesagt, aber das war doch vor langer Zeit gewesen, und Meister Ismael und seine Tochter hatten gewiss nichts damit zu tun gehabt.
Der Arzt begann nun zu erzählen, für Poggio auf Latein, für die Bäcker in seinem seltsamen Deutsch, wobei Bracciolini manchmal etwas ungeduldig wirkte, wenn Meister Ismael sich gar zu lang auf Deutsch bei einem Thema aufhielt, das er schon auf Latein gehört hatte. Doch der Jude ließ sich dadurch nicht stören, in aller Ruhe erklärte er auch Giovanni und Cunrat, was er wusste, obwohl Letzterer nicht immer alles verstand und dies an seinem Gesichtsausdruck deutlich abzulesen war.
Am Ende bat sie der Arzt, mitzukommen, er wolle ihnen etwas zeigen.
*
Poggio Bracciolini an Niccolò Niccoli, am 20. Januarius, im Jahre des Herrn 1414
Ich, Poggio, entbiete Dir, meinem Niccolò, einen herzlichen Gruß!
Erst heute, am Sonntag, komme ich dazu, Dir wieder zu schreiben, denn es ereignen sich ständig unerhörte Dinge verschiedenster Art!
Weiterhin versuchen diverse Elemente und Gruppierungen, unserem Papst Johannes zu schaden. Vergangenen Montag wurde (natürlich anonym) ein Avisamentum veröffentlicht, angeblich im Namen mehrerer Prälaten und Doktoren, das direkt an den König gerichtet war. Darin wird Sigismund als der »Engel Gottes auf Erden« gepriesen, die einzige Hoffnung auf Einheit der Kirche. Die Autoren behaupten, Johannes kümmere sich nicht um diese Einheit, sondern nur um seinen Eigennutz. Seine Agenten würden Andersdenkende ausspionieren und einschüchtern. Und dann klagen sie ihn ungeheuerlicher Dinge an, unter anderem, dass er ein Mörder sei, die Gemahlin seines Bruders entehrt, Jungfrauen geschändet sowie Simonie und Ämterverkauf betrieben habe. Was den letzteren Vorwurf anbelangt, so mag durchaus Wahres daran sein, aber die übrigen Anklagen halte ich für frei erfunden, auch wenn es immer wieder Gerüchte in der einen oder anderen Richtung gegeben hat. So lange kenne ich den Papst noch nicht, um wirklich beurteilen zu können, was er in jüngeren Jahren getan hat, bin ich doch erst vor
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