In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Leuchter und Öllampen sorgten für Licht. An der linken Wand standen zwei mit Schnitzereien verzierte Truhen übereinander, während die rechte Wand von farbigen Teppichen mit Szenen aus dem Alten Testament geschmückt wurde: Umrahmt von Blumen und Ranken hielt Abraham seinem Sohn Isaak das Messer an die Kehle, und David schlug Goliath den Kopf ab. Cunrat war beeindruckt, so schöne Wandteppiche hatte er noch nie gesehen. Aus Wolle und Seide geknüpft, verbreiteten sie zusätzlich ein Gefühl von Wärme.
Meister Ismael mit dem langen Bart saß auf einem reich geschnitzten Lehnstuhl neben dem Ofen. Heute trug er nicht den Trichterhut, mit dem Cunrat ihn gesehen hatte, sondern eine rote Filzkappe. Vor ihm stand ein Tisch, darauf lag ein großes Buch mit bunten Bildern. Offenbar hatten sie den Arzt beim Studium der Heilpflanzen gestört. Dass sie im Hause eines Medicus waren, erkannte Cunrat auch an der Holztafel, die über einer kleineren Truhe an der gegenüberliegenden Wand zwischen zwei Fenstern hing. Darauf war ein nackter Mann dargestellt, und er wäre Cunrat fast lebendig vorgekommen, so genau hatte der Maler alle Teile seines Körpers gemalt, wäre dieser nicht von einer Vielzahl von Lebewesen entstellt gewesen, die mit ihm verschmolzen schienen. Ein Löwe entsprang seinen Rippen, den beiden Ellbogen jeweils zwei Kinder, aus seinem Kopf ragte der Kopf eines Widders, aus den Oberschenkeln Bogenschützen, aus den Knien Einhörner. Das Kinn stützte sich auf einen Stierkopf, darunter saß ihm eine Schildkröte auf der Brust, seine Waden wurden aus Wasserkrügen bespritzt und seine Zehen von Fischen benagt. Doch das Grässlichste war ein Skorpion, der sich in das männliche Glied gekrallt hatte, aus dem Blutstropfen rannen, wie überhaupt aus den verschiedensten Stellen des Körpers das Blut in Fontänen herausschoss. Cunrat griff sich unwillkürlich in den Schritt, auch wenn er wusste, dass es sich hier nur um ein Aderlassmännlein handelte, das dem Arzt die besten Zeiten für diese Behandlungsmethode aufzeigte. Beim Medicus des Klosters Weißenau hatte er Derartiges in einem Buch gesehen.
Der Bäckergeselle betrachtete noch ganz fasziniert die medizinische Lehrtafel, als plötzlich von den Truhen links etwas zu ihm herübersprang und zielsicher auf seiner Schulter landete. Er schrie vor Schreck auf und versuchte, das Wesen abzuschütteln.
Meister Ismael war bei ihrem Eintritt aufgestanden und ihnen entgegengekommen. Nun lachte er und sagte in einem für Cunrat seltsamen Deutsch mit stark rollendem R: »Verrzeiht, wenn euch mein Veverkle hat erschreckt! Komm her, Schätzele!«
Das Tier machte einen weiteren Satz und landete diesmal auf der Schulter des Juden. Erleichtert sah Cunrat, dass es ein harmloses Eichhörnchen war.
»Meine Sara hat es aufgezogen, Gott hab sie selig!« Und mit ironischem Blick auf Cunrat fügte er hinzu: »Wahrscheinlich hat es gehalten euch für einen Baum.«
Dann wandte er sich jedoch an Poggio Bracciolini und fragte besorgt: »Seid Ihr krank, Herr? Oder womöglich der Papst?«, während er dem Eichhörnchen über den buschigen Schwanz strich.
Bracciolini antwortete ihm auf Latein. Der Arzt entgegnete etwas, ebenfalls auf Latein, zunächst erstaunt lächelnd, dann wurde sein Gesichtausdruck zunehmend misstrauischer, denn Poggio begann auf ihn einzureden, zeigte dabei mehrmals auf Cunrat und nannte auch dessen Namen, während Meister Ismael zunächst die Schultern zuckte und dann heftig den Kopf schüttelte. Doch Poggios Rede wurde immer beschwörender, immer karger die Antworten des Arztes, bis er schließlich Cunrat eindringlich ansah und tief Luft holte. Dann sagte er: »Und woher soll ich wissen, dass ich euch kann trauen? Dass ihr nicht seid Spione? Habe ich dich nicht schon gesehen mit der Tochter von Bäcker Katz? Wohnst du nicht sogar bei ihm? Diesem Judenhasser?«
»Nein nein, Herr«, bemühte sich Cunrat um eine Rechtfertigung, und beinahe hätte er wieder angefangen zu stottern, »ich habe das Haus von Meister Katz schon vor einiger Zeit verlassen!«
Dann wandte der Jude sich an Giovanni. »Und Ihr? Seid auch Ihr im Dienste des Papstes?«
Aus dem Klang seiner Stimme schloss Cunrat, dass er nicht begeistert war, mit Anhängern von Papst Johannes zu tun zu haben. Doch Giovanni versicherte ihm, dass er nur ein Freund von Cunrat sei und diesen hierher begleitet habe, damit ihm nichts geschehe.
»Es ist noch nicht so lang her, zur Zeit der großen Pest, da wurden meine
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