In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Mannen gelenkt werden, die ja auch prompt aus der Stadt abgezogen wurden. Diese Erkenntnis beruhigt mich nicht gerade, denn nun muss man weiterfragen, welche Partei ein Interesse daran hätte, eine noch tiefere Kluft zwischen Sigismund und den Herzog von Mailand zu treiben, als ohnehin schon vorhanden ist. Sind es die deutschen Fürsten, die bangen, der König könnte dem Mailänder den Herzogstitel verschaffen? Oder steckt womöglich sogar – ich wage den Gedanken gar nicht zu Ende zu denken – unser Herr, der Papst Johannes dahinter, der erkannt hat, dass Sigismund sich immer mehr seinen Feinden zuwendet? Und wie hängt dieser Mord mit den beiden Verbrechen an einem harmlosen Geschwisterpaar zusammen?
Fragen über Fragen, mein Niccolò, die uns aber auch der Jude nicht beantworten konnte. Wir wollten jedoch immerhin von ihm wissen, ob er uns sagen könne, welches Gift den unglücklichen Ermordeten verabreicht worden war.
Der erste Teil unseres Gesprächs hatte sich in einer angenehm geheizten, großen Stube abgespielt, die reich mit Wandteppichen und Kissen ausgestattet war. Dass wir bei einem Arzt waren, merkte man nur an einer ausgezeichnet gemalten Tafel, auf der ein homo signorum mit einem homo venarum vereint dargestellt war. Die Tierkreiszeichen waren äußerst lebendig an den Stellen des Körpers eingezeichnet, die von ihnen beherrscht werden, und auch die Aderlasspunkte waren genauestens vermerkt, natürlich alles mit hebräischen Erklärungen.
Doch nun bat uns der Jude – der übrigens ein gezähmtes Eichhörnchen besitzt, das nicht von seiner Schulter weicht –, ihm in einen anderen Teil des Hauses zu folgen. Ich glaubte zunächst, er werde uns in ein Studiolo führen, aber es ging durch den Hof in das Hinterhaus und dort über eine steile Stiege mehrere Stockwerke hoch in einen Raum des Dachgeschosses, der wesentlich kühler war als die Stube und kein Fenster besaß, sodass nur Fackel- und Lampenlicht ihn erhellen konnten. Als wir eingetreten waren und der Diener die Fackeln in ihre Halterungen gesteckt und etliche Öllampen entzündet hatte, da bot sich uns ein Anblick, den zu beschreiben ich fast nicht die Worte finde, mein lieber Freund.
Auf Gestellen, wie man sie sonst für die Aufbewahrung von Büchern verwendet, lagen und standen im flackernden Lichtschein Dutzende von Tieren aller Arten, einige präpariert, als ob sie lebendig wären, andere ihres Fells und ihres Fleisches beraubt und somit nur als Knochengerüste erhalten. Das größte der Skelette stand auf dem Boden vor der gegenüberliegenden Wand und schien uns bedrohlich entgegenzulaufen. Zu Lebzeiten war es wohl ein Wolf gewesen, Canis lupus , wie der Besitzer der Sammlung auf einer kleinen Holztafel vermerkt hatte. Ohne seine verschlagenen Augen wirkte der Räuber jedoch nur halb so gefährlich. Auf den Regalen erkannte ich dann an den lateinischen Bezeichnungen das winzige Knochengerüst einer Maus, das eines Hasen, eines Hermelins, einer Katze und anderer Tiere mehr. (Insgeheim fragte ich mich, wie wohl dem Eichhörnchen auf der Schulter des Juden zumute sein musste bei diesem Anblick!) Auf einem der Bretter lag eine große Menge verschiedener Muscheln, gelbe, weiße, rote, runde und lange, flache und kunstvoll gewundene, auf einem weiteren rote Korallen sowie vielfarbige Steine und Mineralien. Dann fiel unser Blick nach oben zur Decke, wo man die Dachschräge entlang bis zu den Firstbalken sehen konnte. Hier schien sich die seltsamste Vogelschar auf uns herabzustürzen, die du dir vorstellen kannst. Der lange Cunrat zog unwillkürlich den Kopf ein, wie er überhaupt den Mund gar nicht mehr schließen konnte vor Staunen über all die wundersamen Dinge, die er hier zu sehen bekam. Der Jude hatte ausgestopfte Bälge und Skelette verschieden großer Vögel an Schnüre gehängt, sodass sie von der Decke baumelten und sich aufgrund des durch unseren Eintritt entstandenen Lufthauches in ihrem natürlichen Elemente zu bewegen schienen, ein Effekt, der nicht nur den törichten Bäckergesellen gruseln machte, wie ich dir offen gestehen muss.
Meister Ismael betrachtete unser Staunen mit Freude und Stolz, wie mir schien, und in der Tat, nur an der Universität zu Bologna habe ich jemals eine Sammlung von Naturalien gesehen, die auch nur annähernd dem glich, was der Jude hier zusammengetragen hatte.
Er nahm nun das eine oder andere Objekt vom Gestell und erklärte uns, wo diese Muschel oder jenes Tierlein herstammte und wie er es
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