In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
habe ich mich hier – verhüllt mit einer schwarzen Maske – unter das Volk gemischt, das hier vor allem den Donnerstag als den Schmalzigen oder Unsinnigen begeht, wo dies bei uns der Dienstag ist. Doch abgesehen von der entsetzlichen Kälte erschien mir das närrische Gebaren der hiesigen Bevölkerung unerträglich plump und die Fantasie der Maskierten ausgesprochen kümmerlich. Wenn schon – wie es bei den Alten heißt – »semel in anno licet insanire« 2 , dann doch wenigstens so wie am römischen Karneval, der an die antiken Saturnalien erinnert. Ich hoffe so sehr, dass ich die nächste Maskerade wieder dort erleben werde!
Es grüßt Dich bar jeder Narretei
Dein Poggio
*
Am letzten Februartag traf noch einmal eine große Delegation in Costentz ein. Es war die offizielle Gesandtschaft des Mailänder Herzogs Filippo Maria Visconti, der sich die Herzogswürde vom König bestätigen lassen und sich daher gut mit ihm stellen wollte. Der Ritter Gasparo de’ Visconti, der Advokat Antonio de’ Gentili und der Abt von Sant’Ambrogio, Manfredo della Croce, kamen mit großem Gefolge und einem langen Zug von Wagen, die wertvolle Fracht transportierten. Die Mailänder als die wichtigsten Handelspartner der Patrizier von Costentz wurden fast ebenso ehrenvoll empfangen wie der österreichische Herzog Friedrich wenige Tage zuvor. Allerdings bestand ihre Ehrengarde vorwiegend aus Costentzern, während Friedrich vor allem von den Anhängern des Papstes begrüßt worden war.
Es war ein trüber Donnerstag, als die Mailänder am späten Nachmittag über die St.-Pauls-Gasse in die Stadt einritten, um am Oberen Markt mit ihren Wagen Richtung Marktstätte und Kaufhaus abzubiegen, ein Weg, den viele von ihnen schon früher genommen hatten. Die italienischen Bäcker hatten ihren Karren mit dem Ofen und den Auslagetischen wieder einmal an diesem Kreuzungspunkt platziert. Es herrschte Fastenzeit, und wenn auch die vielen Fastentage, die es das ganze Jahr über gab, während des Konzils nicht so streng eingehalten wurden, so galten für die Zeit vor Ostern doch die üblichen strengen Fastenregeln. Mithin liefen die Geschäfte nicht mehr so gut, und das galt nicht nur für die Bäcker, sondern auch für andere Gewerbetreibende, welcher Art ihr Gewerbe auch immer sein mochte. Nur einige wenige Leute, die es geschafft hatten, gegen entsprechende Gaben vom Papst einen Dispens vom Fasten zu erlangen, wagten noch, ihr normales Leben weiterzuführen. Für das Volk hingegen verkündigten die Prediger allenthalben das Kommen des Jüngsten Gerichts und entsetzliche Höllenstrafen für Völlerei, Hurerei, Geldgier und andere Sünden, und so kauften die Menschen keine gefüllten Pasteten mehr, sondern nur noch schwarze Brote, sie tranken keinen Rheinwein, sondern höchstens Knechtewein, und selbst die Huren in ihren Bade- und Frauenhäusern hatten Umsatzeinbußen zu verzeichnen. Deshalb konnte Lucia an diesem Tag durch die Stadt schlendern und machte Halt bei Giovanni, um ein Brot zu kaufen.
Die beiden unterhielten sich, dann zog der Venezianer sie in den Schatten der Laubengänge am Haus zum Hohen Hafen, um ihr etwas näher zu kommen. Als jedoch Herolde die Mailänder Gesandtschaft ankündigten, unterbrachen sie ihre Zärtlichkeiten und schauten neugierig dem Zug der vornehmen Reiter und reich bepackten Wagen zu.
Giovanni musste an den Tod des mailändischen Übersetzers denken. »Jetzt wird der Vogt noch einmal Ärger bekommen!«, mutmaßte er. »Und Visconti wird sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, den König unter Druck zu setzen!«
Doch da schien Lucia plötzlich zu erstarren, dann schlug sie die Hand vor den Mund, um nicht zu schreien, und sah so entsetzt auf den Zug der Welschen, als ob dort eine Horde von Teufeln vorüberzöge.
»Lucia, was ist? Was hast du?«, fragte Giovanni, doch sie schüttelte nur den Kopf. Giovanni schaute nach den Mailändern, aber er sah nur Pferde, Wagen, Knechte und reich gekleidete Gesandte. Einer von ihnen, ein hagerer Mann mit langen Haaren und pelzverbrämter Mütze, schien zu ihnen herüberzublicken, doch dann scheute sein Pferd vor einem Betteljungen, den es fast unter die Hufe genommen hätte, und der Reiter wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Tier zu. Kurz darauf war der Zug in der Gasse Unter den Säulen verschwunden.
Noch einmal fragte Giovanni seine Geliebte, was los sei, doch Lucias Stimme versagte den Dienst, sodass der Bäcker sie bei den Armen nahm, um noch
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