In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
wach.«
Doch in diesem Augenblick setzte das Schnarchen mit unverminderter Lautstärke wieder ein. Die Magd schien erleichtert, und Cunrat beschloss, sie noch ein wenig auszufragen.
»Weißt du etwas über Lucias Verschwinden? Hat sie etwas gesagt? Hat sie jemanden getroffen?«
Er musste an den Graubärtigen denken. Ob der sie entführt hatte?
»Ich weiß nichts, nur, dass sie am Donnerstagabend sehr aufgeregt war, als sie aus der Stadt zurückkam. Und am Freitag, also gestern, ist sie schon früh fortgegangen, zur Messe, wie sie sagte, und danach hat sie keiner mehr gesehen. Ihre Sachen hat sie hier gelassen, aber Rosshuser sagt, das war ein Trick, damit wir nicht merken, dass sie abhauen wollte mit dem Welschen. Er ist wirklich sehr wütend. Sie war doch so teuer! Und sie hat die meisten Kunden gehabt, sogar jetzt noch, in der Fastenzeit. Bitte geht jetzt!«
Cunrat hatte genug gehört, und so befolgte er ihre Bitte und ließ sich zur Tür hinausschieben. Das Schnarchen folgte ihm noch den ganzen Ziegelgraben entlang bis zum Bischofstörle.
Ratlos schlenderte er durch die erwachende Stadt. Es begann zu regnen, ein kalter Sprühregen, und die Wege weichten langsam auf. Wie von selbst trugen ihn seine Beine in die St.-Johann-Kirche, zum Altar unter dem Fenster der Heiligen Margarethe. Er wusste nicht recht, welcher Heilige für verschwundene Personen zuständig war, also betete er einfach zu allen Heiligen um Erleuchtung und Hilfe.
Doch jeden Gedanken, der ihm in den Sinn kam, verwarf er sofort wieder. Zu Poggio brauchte er nicht zu gehen, sie konnten sich ja ohnehin nicht richtig verständigen. Den Vogt aufzusuchen, würde nichts nützen, der war ihm nicht wohl gesonnen, zumindest glaubte er das. Das Beste wäre gewesen, Lucia wieder zu finden, aber wie und wo? Was konnte mit ihr geschehen sein? Ob ihr Verschwinden etwas mit den Morden zu tun hatte? War sie womöglich auch umgebracht worden?
Wenn er wenigstens mit Giovanni hätte sprechen können, dem wäre gewiss etwas eingefallen, aber ihm, Cunrat, schien alles verworren und ausweglos, als ob die Welt ein Buch wäre, das zu lesen er nicht imstande war.
Die Erleuchtung blieb auch nach längerem Beten aus, und so verließ er die Kirche und ging zum Platz bei der Stephanskirche, wo die Bäcker an diesem Tag ihre Waren verkaufen wollten. Für solch regnerische Tage hatten sie eine Plache aus wachsbeschichteter Leinwand, die sie mit ein paar Stangen über ihrem Tisch und dem Ofen aufspannten. In der Tat waren seine Genossen schon an der Arbeit, sie hatten bereits eingeheizt, Mehl geholt und die ersten Brezeln gewunden. Erwartungsvoll sahen die Drei ihn an, doch er schüttelte nur den Kopf. Da wandten sie sich enttäuscht wieder ihrem Teig zu. Auch Cunrat griff sich einen Klumpen und schlug und knetete ihn, als ob er die Lösung des Rätsels aus ihm herausklopfen könnte. Den ganzen Tag über machte er sich Gedanken, wie er seinen Freund aus der Haft befreien konnte. Wo er wohl einsaß? Wann würde man ihm den Prozess machen? Ob man ihn einem peinlichen Verhör unterzog? Plötzlich fiel ihm ein, dass man dafür ja den Henker brauchte. Und der war ihnen noch einen Gefallen schuldig, weil sie ihm geholfen hatten, den Leichnam loszuwerden.
Es war schon gegen Abend, als er seinen Genossen klarmachte, dass er noch einmal fortgehen musste, wegen Giovanni. Sie nickten nur, während er die Kapuze seines Umhangs über die Bundhaube zog und durch den unaufhörlichen Regen losmarschierte Richtung Ziegelgraben. Am Haus des Scharfrichters angekommen, klopfte er heftig gegen die Tür. Doch nur die alte Magd schaute nach einer Weile aus dem Fenster und fragte mürrisch, was er wolle. Auf Cunrats Frage nach ihrem Herrn sagte sie, der sei nicht zu Hause, sondern ins Lörlinbad zu seinem wöchentlichen Bad gegangen. Cunrat hatte zwar keine Lust, Rosshuser zu begegnen, aber der war ja nicht der Bader und hielt sich vermutlich im Schankraum auf. Da ohnehin Samstag war, beschloss er, ebenfalls baden zu gehen.
Egli Locher saß schwitzend auf dem mittleren Gestell des Dampfbades, als Cunrat sich zu ihm gesellte.
»Einen guten Abend wünsch ich Euch, Meister Egli!«
Der Henker hob den Kopf und brummte etwas vor sich hin, das wie »Abend« klang.
»Habt Ihr meinen Freund Giovanni gesehen, Herr Egli?«
Locher schlug sich mit einem Bündel Birkenreisig auf den Rücken und pustete laut.
»Er sitzt im Raueneggturm«, antwortete er schließlich undeutlich, dann erhob er sich und rief
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