In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
einen Moment. »Ich weiß nicht, Herr, vielleicht für eine Truhe.«
Hanns Hagen legte den Schlüsselring auf den Tisch und fragte: »Wann hast du deinen Bruder zuletzt gesehen?«
»Gestern Abend, Herr«, antwortete Karolina und begann erneut zu weinen. »Aber sagt, warum hätte er sich umbringen sollen? Es ging uns doch gut!«
»Wegen seiner Weinpanscherei zum Beispiel?«
»Er hat den Wein nicht gepanscht! Das sind alles Verleumdungen! Er hat niemals etwas Unrechtes getan!«
»Ihr seid seine Schwester, nicht wahr?«
Sie nickte.
»Habt Ihr eine Vorstellung, wen er gestern Abend in den Weinkeller eingelassen haben könnte?«
»In den Weinkeller? Ich weiß nicht, Herr, die Schänke war voll, aber im Weinkeller habe ich niemanden gesehen.«
»Es tut mir leid für Euch, aber ich denke, Ihr müsst euch mit der Tatsache abfinden, dass er selbst seinem Leben ein Ende gesetzt hat.«
»Nein!«, rief sie verzweifelt. »Jemand hat ihn umgebracht! Er ist kein Selbstmörder!«
»Aber warum sollte ihn jemand umbringen? Hatte er denn mit jemandem Streit?«
Sie überlegte ein wenig.
»Mit einem Welschen vor einigen Wochen. Weil der keine Pfennige hatte. Und ein Schuhmachergeselle, der ist verschwunden, ohne zu bezahlen. Mein Bruder ist ihm nachgelaufen und hat ihn gestellt. Er wollte ihn beim Rat verklagen. Der hatte noch die Frechheit gehabt, teuren Elsässer zu verlangen! Und mit einem Basler hat er gestritten, weil der behauptet hat, unser Elsässer Wein sei kein Elsässer, sondern Oberberger, weil er vom südlichen Rheintal kommt. Aber wie sich dann gezeigt hat, sagen sie in Basel halt anders.«
Der Vogt winkte ab.
»Das sind doch nur die wirtshausüblichen Streitereien. Deshalb bringt man niemanden um.«
Damit schien für ihn die Sache erledigt, und er verließ die Schänke mit seinem Wachmann.
An der Schwelle drehte er sich noch einmal um und fragte: »Habt Ihr eigentlich Fledermäuse im Keller?«
»Im Keller?« Karolina sah ihn verwirrt an. »Warum denn im Keller? Hier drüben, im Rindportertor sind natürlich welche, und ganz oben unter dem Hausdach, aber warum denn im Keller?«
Der Vogt hob grüßend die Hand und ging.
Karolina setzte sich an einen der Tische und schluchzte vor sich hin. Die Neugierigen verließen einer nach dem anderen das Wirtshaus, bis nur noch der Conte und Cunrat übrig waren.
»Karrolina, vielleickt er war schockiert von die Entdeckung von seine Weinpanscherei. Vielleickt er war in Panico!«, versuchte der Conte sie zu trösten.
»W… war er d… denn anders als sonst?«, fragte Cunrat.
Sie zuckte mit den Schultern und sagte schluchzend: »Natürlich war er schockiert wegen der Anklage! Er hat doch nie so etwas gemacht!«
»A… aber sie haben Sachen g… gefunden, im K… keller.«
Sie weinte noch heftiger, und schließlich ließ Cunrat sie mit dem Conte allein. Er musste zurück zur Backstube.
*
Am folgenden Sonntag ging Cunrat mit der ganzen Familie Katz zur Kirche der Barfüßer. Normalerweise pflegte der Bäckermeister den Gottesdienst in der Augustinerkirche zu besuchen, die direkt gegenüber seinem Haus lag. Aber in der Stadt wurde seit Tagen davon gesprochen, dass die Franziskaner für viel Geld einen Prediger hatten kommen lassen, der auf Deutsch predigte und der die Menschen mit seinen Worten so packte, dass sich schon viele Sünder bekehrt hatten. So wurde die Barfüßerkirche von Tag zu Tag voller, denn alle Menschen wollten den berühmten Stephan von Landskron hören.
Als Hans Katz mit seinem Anhang eine Stunde vor Beginn des Gottesdienstes eintraf, war die Kirche bereits mit Gläubigen gefüllt. In den Stuhlreihen vor der Kanzel, die am ersten Pfeiler des linken Seitenschiffes angebracht war, hatten sich die Frauen der Patrizier niedergelassen, für die diese Sitzgelegenheiten reserviert waren. Meister Katz ging umher und begrüßte ein paar Zunftgenossen, während die Meisterin und Bärbeli sich mit einigen Nachbarinnen unterhielten und dabei hin und wieder zu Cunrat herüberblickten. Sie hatten ihre Kirchenstühle in der Augustinerkirche und mussten hier bei den Franziskanern ebenso stehen wie die Männer.
Cunrat lehnte an einer der bemalten Sandsteinsäulen, die das Hauptschiff der Kirche vom Seitenschiff trennten, und besah sich die farbigen Bilder, mit denen die Kirchenwände über und über bedeckt waren. Die Muttergottes mit dem Kind und verschiedenen Heiligen erschien mehrmals, aber viele Heilige waren auch allein dargestellt, während ihres
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