In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Blöße bedecken, teure Stoffe, Pelze, Schmuck und Hauben, die sich gen Himmel türmen wie der Turm zu Babel …«
Nach einem beachtlichen Crescendo, das die Kirchenhalle erzittern ließ, machte der Prediger eine bedeutungsschwangere Pause.
»Und was steckt dahinter? Ich frage euch, wer steckt hinter all der Pracht und dem Prunk? Die teuflische Schlange! Der alte Feind, der schon mit Eva den Adam verführte!«
Ein Zischen und Tuscheln ging durch die Reihen, und ein paar Frauen in prächtigen Gewändern mit gelben Tüchern am Ärmel, die vorher noch den Männern kokett zugezwinkert hatten, verließen die Kirche. Der Prediger sah es wohl und schien’s zufrieden.
»Ich aber sage euch: Seid nicht wie Adam! Lasst euch nicht von den Schlingen des Weibes fangen! Haltet stand, wenn sie euch locken mit ihren weißen Brüsten wie Äpfel des Paradieses! Haltet stand! Wer Hurerei treibt, sündigt am eigenen Leibe!«
Cunrat war es, als blitzten die flammenden Augen ihn persönlich an. Dann senkte Stephan von Landskron die Stimme. Es wurde ganz still in der Kirche.
»Und wisst ihr, was mit diesem sündigen Leib geschieht, wenn er in die jenseitige Welt hinübergeht? Wisst ihr, welch grauenvolles Schicksal diese Sünder erwartet?«
Man hätte eine Feder zu Boden gleiten hören können, so gespannt lauschten nun alle Gläubigen. Dann rollte es wie Donner über sie hinweg.
»In die tiefste Hölle werden sie geworfen, in Schwefel und siedendes Pech gestoßen, sie werden sich im Kot wälzen, und Luzifers Knechte werden sie mit ihren Spießen über dem Feuer rösten, langsam, ganz langsam,« – ein Stöhnen ging durch die Menge – »und die sündigen Teile werden abgehackt und auf glühende Kohlen gelegt,« – die Männer ächzten – »und die Frauen werden vom dreiköpfigen Höllenhund zerfleischt und ihre Sündenwerkzeuge von giftigen Schlangen zerfressen« – schrille Schreie wurden laut – »und ihre Qualen werden dauern bis in alle Ewigkeit! Amen!«
Eine Frau fiel in Ohnmacht, andere weinten und einige Weitere verließen die Kirche. Dann strömten viele nach vorn zum Altar, um sich von Stephan von Landskron segnen oder die Beichte abnehmen zu lassen, gegen ein gutes Entgelt, versteht sich, das einer der Franziskanerbrüder in einem Lederbeutel sammelte.
Cunrats Kehle war wie zugeschnürt, der Schweiß lief ihm in Strömen den Rücken hinab und er glaubte schon die glühenden Zangen zu spüren, doch da packte ihn Bärbeli am Arm und rauschte mit hocherhobenem Haupt aus der Kirche.
»Diese barfüßigen Heuchler, diese Kuttenbrüder, diese Genshenker …«, schimpfte sie vor sich hin und stürzte Cunrat damit in höchste Verwirrung.
»B… bärbeli, so d… darfst du nicht reden. D… das ist d… doch Sünde!«
»Ach was, Sünde«, ereiferte sie sich mit hochrotem Kopf, »Sünde ist, wenn sie uns am Tage die Höllenstrafen predigen und nachts heimlich zu den Huren gehen! Aber mir können sie nichts vormachen. Maria Magdalena war auch eine Sünderin, und Jesus hat ihr verziehen!«
Cunrat war nicht überzeugt. Der Prediger war ein berühmter Mann, der würde doch nicht einfach etwas erzählen, wenn es nicht stimmte. Was wusste Bärbeli schon vom Jenseits und der Bestrafung der Sünden? Hatte sie ihn nicht genauso verführt, wie Landskron es geschildert hatte? War er nicht wie Adam der teuflischen Schlange zum Opfer gefallen?
»Da gehe ich doch lieber zu dem böhmischen Prediger in der Pfisterin Haus!«, fuhr Bärbeli wütend fort. »Der nennt wenigstens die richtigen Sünder beim Namen, diese scheinheiligen Pfaffen und fetten Prälaten, die nur unser Geld wollen!«
Nun kamen auch Hans Katz und seine Frau aus der Kirche. Mutter Katz schien Bärbelis Meinung über Stephan von Landskron zu teilen.
»Der stellt alle Frauen so hin, als ob wir Huren wären!«, schimpfte sie. Zum ersten Mal fiel Cunrat auf, was für eine prächtige Haube die Bäckersfrau trug, mit einem roten, perlenbestickten Samtwulst, um den kunstvoll ein weißes Tuch drapiert war, das in unzähligen Falten über den Nacken hinab fiel.
»Sei doch still!«, antwortete ihr Mann. »In diesen Zeiten muss man vorsichtig sein, da kommt man leicht in den Geruch der Ketzerei! Außerdem hat er von den Huren gesprochen und nicht von den braven Bürgersfrauen. Und Huren gibt es wahrlich genug in dieser Stadt! Du hast sie ja gesehen, wie schnell sie die Kirche verlassen haben.«
Aber Mutter Katz war sich mit ihrer Tochter einig in der Beurteilung des
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