In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Stimme und Gestalt von Bärbeli des Nachts heimsuchte. Aber wenn er dann in ihrem Schoß versank, glaubte er eher an einen Engel des Paradieses, der gekommen war, um ihm unendliche Freuden zu bereiten.
Die nächtlichen Besuche hinterließen jedoch ihre Spuren. Bei Bärbeli weniger, sie konnte am Morgen etwas länger im Bett bleiben, bevor sie den Laden an der Brotlaube aufmachte, aber er musste noch vor Sonnenaufgang aufstehen und in die Backstube gehen. So wurde er immer bleicher, unter den Augen bildeten sich dunkle Ringe, und seine lange Gestalt wurde noch hagerer, auch wenn das kaum möglich schien. Die anderen Gesellen begannen hinter seinem Rücken zu tuscheln. Ob sie etwas ahnten? Uli machte manchmal obszöne Gesten und lachte dreckig und wissend, während Joß immer finsterer dreinblickte und kaum noch ein Wort mit Cunrat wechselte. Aber der nahm ohnehin nicht mehr wahr, was um ihn herum vorging, sein Leben bestand fast nur noch aus Arbeit und nächtlichem Liebesrausch.
Bis zu jenem Tag Mitte November, an dem Mathis mit einer schrecklichen Nachricht von einem Botengang zurückkehrte.
»Der Weinhändler Tettinger hat sich aufgehängt!«
»Was?«
Cunrat konnte es nicht glauben. Wegen seiner nächtlichen Umtriebe war er schon einige Zeit nicht mehr in der Weinstube gewesen, aber als er seinen dicken Freund das letzte Mal gesehen hatte, war dieser noch glänzender Laune, ja geradezu euphorisch gewesen, wegen des Reichtums, den er sich erhoffte. Und nun sollte er sich erhängt haben?
Der Bäckergeselle band seine Schürze ab, warf sich einen Wollmantel über und lief in Windeseile die Mordergasse entlang, über die Marktstätte, vorbei am Brunnen, dann unter den Säulen hoch zum Oberen Markt. Dort warf er einen kurzen Blick auf den großen Pranger in der Mitte des Platzes. Ihn fröstelte bei diesem Anblick, aber auch vor Kälte und aus Beklemmung wegen dem, was ihn erwartete.
Etwa gleichzeitig mit Cunrat traf der Stadtvogt Hanns Hagen ein, den Cunrat als Baldachinträger für den Papst gesehen hatte. Er war ein kräftiger Mann in einem roten Wams, mit breiten Schultern und einem Gesicht unter den flachsfarbenen, kurz geschnittenen Fransen, das Cunrat ein wenig so vorkam, als ob es aus Brotteig geknetet wäre. Ein Blick von ihm genügte jedoch, um jedem Übeltäter klarzumachen, dass mit dem obersten Befehlshaber der Stadtwache nicht zu spaßen war. Neben ihm ging eine kleine, schmale Gestalt, in einen vornehmen Mantel gehüllt: der Stadtarzt Heinrich Steinhöwel.
Vor der Weinstube Zur Haue hatte sich bereits eine Menschenmenge versammelt.
»Geht zur Seite! Macht Platz!«, rief der Vogt mit schneidender Stimme und half mit den Ellbogen nach, wo die Neugierigen nicht weichen wollten. Zusammen mit dem Arzt und zwei bewaffneten Stadtwachen betrat er die Weinstube, und Cunrat hielt sich dicht hinter ihnen. Wegen seiner Größe ließen die Leute ihn ohne Weiteres durch.
Karolina lehnte weinend am Tresen. Der Conte Sassino stand bei ihr und tröstete sie. Als Hanns Hagen sie rüde anfuhr, wo denn nun der Erhängte sei, zeigte sie nur in Richtung Kellertreppe und schniefte etwas Unverständliches. Der Vogt ging mit seinen Begleitern durch eine Tür neben dem Tresen, und Cunrat und die Menschenmenge, die sich in der Gaststube versammelt hatte, drängten nach.
Ein Knecht leuchtete ihnen mit einer Fackel, und so gelangten sie über eine kurze, steile Wendeltreppe aus Stein in den Keller. Der war unvermutet groß, aber das musste er wohl sein für eine Weinstube. Von einem Mittelgang gingen mehrere Kellerräume ab. Sie hatten keine Türen, man konnte in jedem die ordentlich aufgestapelten großen und kleinen Fässer bestaunen. Am Ende des Ganges führten ein paar Treppenstufen hoch zur Gasse hinter dem Haus. Von dort wurden die Fässer angeliefert, und die steinernen Pfosten der schweren Holztür hatten bogenförmige Aussparungen, damit auch größere Fässer hindurchpassten. Die Tür war mit einem teuren Metallschloss verriegelt.
Der Knecht führte den Vogt zum ersten Kellerraum gleich links nach der Treppe. Hier wurden die kleinen Fässer mit dem teuren Elsässer und Rheinwein gelagert. Sie waren an beiden Seiten ordentlich aufgestapelt, mit hölzernen Keilen dazwischen, damit sie nicht wegrollen konnten. Eines der Fässer lag in der Mitte des Raumes, umgestoßen, und darüber hing an einem kräftigen Haken Meister Tettinger von der Mitte des niedrigen Steingewölbes. Seine Füße pendelten knapp über dem
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