In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
»lass doch endlich diese Geschichte ruhen. Wir haben wahrhaftig andere Sorgen!«
Simon Ringlin pflichtete ihm nickend bei, dann verfielen beide wieder in Trübsinn. Seufzend sagte Cunrat: »Ich geh zum Bäckerstand, kommst du dann auch, Giovanni?«
Der nickte nur und gab seinem Freund ein Zeichen, er möge verschwinden.
*
Poggio Bracciolini an Niccolò Niccoli, am 12. April, dem Tag des Heiligen Zeno, im Jahre des Herrn 1415
Mein lieber Niccolò,
nun hat Fortuna mich doch wieder an den Ort meines letzten Briefes zurückgeführt. Zwar bin ich unserem Papst Johannes bis nach Schaffhusen gefolgt, habe dort auch einige Schriftstücke verfasst, weil er weiterhin fleißig Pfründen und Privilegien verteilt, doch habe ich schließlich erkennen müssen, dass der alte Fuchs sich immer mehr in den Schlingen verfangen hat, die seine Gegner für ihn ausgelegt haben. Glaubte er zunächst noch, es werde genügen, Costentz zu verlassen und in die Gefilde seines Generalkapitäns Friedrich von Österreich zu flüchten, so musste er doch bald erkennen, dass diesem auf Geheiß des Königs immer mehr Städte und Landschaften abtrünnig wurden. Also hoffte er, den Schergen zu entkommen, indem er versuchte, den Rhein in Richtung Burgund zu überqueren, doch auch dieser Fluchtweg wurde ihm verwehrt. Sein letzter Schritt war nun die Flucht nach Freiburg im Breisgau, von wo aus er immer noch hofft, das rettende linke Ufer des Rheins zu erreichen, um dann nach Avignon weiterzureisen. Doch muss ich dir gestehen, dass ich nicht mehr daran glaube, wie es übrigens auch die meisten Bischöfe und Kardinäle seiner Obödienz nicht mehr tun, denn sie sind ausnahmslos alle nach Costentz zurückgereist.
Ich selbst habe mich dem Gefolge des Kardinalbischofs von Ostia, Johannes-Allarmet von Brogny, angeschlossen und bin von diesem als Schreiber angestellt worden, zumindest vorübergehend. Er ist noch gleichzeitig Bischof von Viviers und päpstlicher Kanzler, inzwischen auch Präsident des Konzils, und wohnt im Hof des Dekans Albrecht von Büttelsbach, direkt neben dem ›Stauf‹ gelegen, wie das Gasthaus der Domherren in der hiesigen Sprache genannt wird, eine wahrlich nicht unangenehme Lokalität neben dem Nordportal der Bischofskirche, die einen gewaltigen Weinkeller ihr Eigen nennt. Manchen Abend haben Leonardo Bruni, Benedetto da Piglio, Cencio de Rustici und ich mit einem oder mehreren Gläsern Elsässer dort verbracht. Ich selbst wohne wieder in meiner alten Kammer in der Bischofspfalz, denn dort hat man diejenigen, die von ihrer Reise zu Papst Johannes zurückgekehrt sind, recht freundlich empfangen. Offenbar ist man froh über jeden ›Abtrünnigen‹, auch wenn ich selbst mich nicht so bezeichnen würde, denn ich bin als päpstlicher Sekretär dem Papst jederzeit treu, nur scheint es so, als ob Johannes nicht mehr lange Papst sein wird.
In der Tat läuft das Konzil auch ohne ihn weiter. So hat gestern eine denkwürdige Sitzung stattgefunden, allerdings nicht offiziell im Münster, sondern in der Wohnung von Pierre D’Ailly, der im Kanonikatshaus des Stiftes Sankt Johann zwischen der Bischofs- und der Sankt-Stefans-Kirche Herberge gefunden hat. Johann von Brogny war bei dem Treffen zu Gast, so wie viele weitere Prälaten und Theologen, und ich habe ihn begleitet.
Die Wohnung D’Aillys befindet sich im zweiten Stock eines Hauses mit Namen ›Zur Kunkel‹ in der Sankt-Johann-Gasse, das von einem der Vorbesitzer mit Fresken ausgeschmückt wurde, welche Wandteppiche imitieren sollen. Offenbar konnte er sich keine echten Teppiche leisten, obwohl diese angesichts des ständig schlechten und kalten Wetters in der Konzilsstadt sicher bessere Dienste leisten würden. An einer der Wände wird eine farbenprächtige Rittergeschichte erzählt, allegorische Szenen schmücken eine andere, an einer dritten sind Frauen bei ihren Alltagsverrichtungen dargestellt. Der Maler hat sie beim Spinnen und Weben abgebildet, woher wohl der Name des Hauses rührt, aber auch nach getaner Arbeit im Bade, ja ich konnte gar einen der hier so beliebten Kachelöfen erkennen. Allerdings sind die Darstellungen recht altmodisch, ohne große Tiefe und nicht nach der Natur gemalt, wie eben die nordische Malerei allgemein etwas Barbarisches hat. Einen Giotto kennt man hier nicht, auch keinen Lorenzetti oder Simone Martini, geschweige denn einen Ghiberti oder Donatello.
Doch ich wollte dir ja von dem Disput berichten, der in diesen Räumen stattfand.
Es begann alles
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