In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
bekam eine bedenklich rote Farbe, bis er schließlich losbrüllte: ›Wenn Ihr glaubt, Ihr könnt mich erpressen, habt Ihr euch getäuscht! Wer auch immer eine Rechnung mit diesem burgundischen Schwachkopf zu begleichen hatte, war ganz sicher keiner von unseren Leuten! Und nun geht mir aus den Augen, Bücherwurm, sonst werde ich Euch das Schwimmen lehren oder Ihr werdet von den Fischen gefressen!‹ Mit drohenden Gebärden wankte er auf mich zu, ein rasender Herkules, und ich fühlte mich wie Lichas, der Verursacher der Raserei, doch zum Glück behinderte das Wasser den Abt in seinen Bewegungen, sodass ich dem Schicksal des herakleischen Dieners entging, der ja bekanntlich ins Meer geschleudert wurde. Außerdem kam, noch während ich zurückwich, von oben der junge Adlatus mit einem weiteren Bruder angelaufen, der etwas kräftiger und größer schien als er selbst, um dem Abt beim Forttragen der Truhe helfen. Durch das Erscheinen der beiden jungen Mönche wurde Bouqetot wieder an seine Arbeit erinnert, er schnaubte noch einmal verächtlich, dann wandte sich von mir ab und dem Geldschrein zu. Die beiden Brüder begannen nun auf der einen Seite an den Griffen der Truhe zu zerren und zu ziehen, während der Abt die schwere Lade auf der anderen Seite anhob. Alle drei ächzten und stöhnten unter der Last, die sie Zentimeter um Zentimeter Richtung Tür bewegten. Ich wandte mich eben zum Gehen, als plötzlich der junge Benediktiner ins Straucheln kam. Seine hochgebundene Kutte hatte sich gelöst und war ihm zwischen die Beine geraten, sodass sie ihn im knietiefen Wasser behinderte. Er suchte mit den Händen fuchtelnd nach Halt und schrie vor Schreck auf, doch das war nichts gegen das Brüllen, das sein Abt fast gleichzeitig ausstieß. Die Truhe war den beiden jungen Mönchen nämlich entglitten und offenbar auf dem Fuß ihres geistlichen Vaters gelandet, der nun ganz ungeistliche Flüche ausstieß, zum Glück in seiner Volkssprache, sodass ich sie nicht verstand. Die beiden Jungen versuchten verzweifelt, die schwere Lade von ihm fortzuzerren, was ihnen jedoch nur mit Mühe gelang, während er immer weiter brüllte, sodass Leute herbeiliefen, um zu sehen, welches Unglück hier das allgemeine Unheil noch übertraf.
Ich gestehe, mein guter Niccolò, dass ich ein klammheimliches Lächeln nicht verbergen konnte darüber, dass dieser Berserker nun vom Objekt seines eigenen Hochmuts zu Fall gebracht worden war. Es eilten immer mehr Leute hinzu, vom Hof über die Holzstege und von oben die überdachte Treppe herab, fast alle im schwarzen Habit, und bildeten eine dichte Traube um den Verletzten. Die Sache schien gravierend zu sein, auch wenn sein Schreien jetzt in ein Stöhnen und Jammern übergegangen war. Er konnte sich schlecht bewegen, und man musste ihn wohl in die Infirmaria bringen. Da war mir plötzlich, als ob eine Stimme mir zuflüstere: ›Rette den Cicero!‹, ja es kam mir geradezu wie eine himmlische Fügung vor, dass Bouqetot dieses Unglück zugestoßen war, damit ich die Reden des großen Philosophen vor so einem Esel in Sicherheit bringen und wieder den Menschen zugänglich machen konnte, die die große Redekunst der Alten zu würdigen wissen. So drängte ich mich an den Herabströmenden vorbei und hastete die Treppe hinauf, als ob ich Hilfe holen wollte. Im ersten Geschoss lief ein hölzerner Gang um den ganzen Hof, von dem aus man in die einzelnen Räume gelangte. In einer der Türen hatte ich zuvor den jungen Benediktiner verschwinden sehen. Sie stand offen, man hatte wohl die Truhe ebenfalls dorthinein bugsieren wollen und die Tür deshalb nicht geschlossen. Niemand befand sich in dem Raum, in dem jedoch ein großes Durcheinander herrschte. Stühle, Tische, Kästen und Kisten in allen Größen und Formen hatte man eilig irgendwohin gestellt, darüber Teppiche und Felle gestapelt, wo man Platz gefunden hatte, und irgendwo in diesem Chaos war mit Sicherheit mein Cicero verborgen. Ich hielt den Atem an und überlegte, wo ich suchen sollte. Auch wenn der Abt kein Interesse für die Schönheit ciceronianischer Reden zeigte, so hatte er doch wohl verstanden, wie wertvoll der Codex war. Also würde er ihn bestimmt gut gegen Mäuse und andere Unbill geschützt in einer Truhe aufbewahren. Ich erschrak für einen Moment. Und wenn das Buch sich in der Truhe im Erdgeschoss befand? Doch Bouquetot hatte mir ja gesagt, dieses Pergament liege im Trockenen, also wohl doch hier oben. Ich stürzte mich auf die erste Lade, die
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