In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
mir unterkam, und durchwühlte ihren Inhalt. Doch sie enthielt nur Messgewänder, die sicher sehr wertvoll, für mich aber nicht von Interesse waren. Ähnlich zwei weitere Kästen. Zwischen meinen Durchsuchungen lauschte ich immer wieder nach draußen, ob sich niemand auf den Holzplanken des Ganges näherte, doch scheinbar waren die Menschen immer noch damit beschäftigt, dem verletzten Abt beizustehen. Nur der Regen prasselte unbarmherzig auf das Dach des umlaufenden Ganges. So suchte ich weiter. Ich zerrte Kisten von Truhen und Teppiche von Kästen, bis ich schließlich eine kleine Lade entdeckte, die in der hintersten Ecke zwischen Stapeln von Fellen und verschiedenen Gerätschaften verborgen war. Doch sie war mit einem richtigen eisernen Schloss gesichert. Was nun? Unterschiedlichste Gedanken schossen mir durch den Kopf. Ich sah mich um auf der Suche nach einem Instrument, um das Schloss aufzustemmen, ein Eisen, ein Schwert, eine Axt. So groß war meine Begier, den Cicero endlich in Händen zu halten, dass ich schließlich mangels anderer Möglichkeiten die Kiste hochnahm, wobei ich bemerkte, dass sie nicht sehr schwer war, also wohl tatsächlich kein Metall, sondern andere Schätze enthielt. Dann schleuderte ich sie wie einst Zeus seine Blitze mit dem Schloss gegen eine andere, größere Truhe. Das Schloss verbog sich jedoch nur ein wenig, sodass ich innehielt. Außerdem bekam ich Angst, den Cicero zu verletzen, wenn ich das Behältnis so roh behandelte. Da kam mir eine bessere Idee. Ich zog mein Messer aus dem Gürtel und bohrte seine Spitze unter die eisernen Bänder, die die Truhe umfingen und an denen das Schloss hing. Nach und nach gelang es mir, einen Nagel nach dem anderen aus dem Holze zu lösen, sodass das Schloss zwar intakt blieb, die Truhe sich aber dennoch am Ende öffnete.
Kannst du dir mein übergroßes Glück vorstellen, als ich nicht nur eines, sondern mehrere Bücher vor mir liegen sah, Pergamente zwischen hölzerne Buchdeckel gebunden, die nicht sehr reich verziert, aber immerhin nicht von Wurmlöchern durchbohrt waren? Ich öffnete den obersten, kleinen Kodex, der ein wunderschönes Stundenbuch mit den herrlichsten Illustrationen enthielt, doch ich hatte keine Zeit, die Bilder zu studieren. Auch waren sie ja nicht der eigentliche Gegenstand meines Interesses. Ein zweites, etwas größeres Buch lag darunter. Ich traute meinen Augen kaum: Auf den Pergamentseiten waren unterschiedliche Schriften zusammengefasst, und in der Eile konnte ich einen Lukian ausmachen. Doch der eigentliche Schatz lag ganz unten in der Truhe: In unverschnörkelten, klaren karolingischen Lettern leuchtete mir da die ebenso klare Sprache des großen Orators entgegen, in der Rede zur Verteidigung von Gaius Rabirius Postumus und anderen. Die Versuchung war groß, mich zwischen all dem Gerümpel, das herumstand und lag, niederzulassen und unverzüglich in die Lektüre zu vertiefen. Doch die Zeit drängte. Von draußen drangen Stimmen an mein Ohr, und nun hörte ich auch Schritte auf der Treppe. So wickelte ich rasch die drei Bücher, die zum Glück alle nicht übermäßig groß waren, in ein Stück Pelz, das ich aus dem Stapel neben der Truhe zog, und steckte das Bündel in den linken Ärmel meines Gewandes. Ich hatte an diesem Tag eine Cotte mit besonders weiten Ärmeln angezogen, sodass ich die wertvolle Last ohne Mühe verstauen konnte. Damit man die gewaltsam aufgebrochene Truhe nicht entdecken würde, öffnete ich den Fensterladen und warf sie in hohem Bogen ins Wasser, das sie forttrug und unter dem übrigen Holze begrub. Dann schloss ich den Laden wieder, schlug meine Kapuze übers Haupt und verließ die chaotische Kammer, so leise und schnell ich konnte. Die Mönche, die nun wieder auf der Treppe und dem Laufgang hin und her liefen, konnten weder mein Gesicht sehen noch erkennen, dass ich etwas im Ärmel mit mir führte. Ich eilte die Stufen hinab und über die Holzstege zum Tor, ohne zu schauen, wo Jean de Bouquetot und seine Gehilfen geblieben waren. Dann überquerte ich schnell die Brücke, wo die Männer des Vogtes noch immer mit dem Holz und den Fluten kämpften.
In der Pfalz angekommen, verstaute ich die Bücherschätze zuunterst in meiner Kiste, dann eilte ich zu Brogny und brachte ihm sein Geld zurück, wobei ich ihm haarklein schilderte, wie der Abt von Saint Wandrille auf meine Anfrage reagiert hatte, und mein allergrößtes Bedauern darüber ausdrückte, dass meine Mission gescheitert war.
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