In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
nun, warum die Überschwemmung ein Glück für mich war? Und nicht nur für mich, mein lieber Niccolò, sondern auch für dich und die anderen Humanisten, ja für ganz Italien, in dessen Schoß die Schriften des großen Orators nun zurückkehren werden! So schnell ich kann, werde ich die Reden abschreiben und einem vertrauenswürdigen Boten mitgeben, damit du sie ebenfalls lesen und verbreiten kannst. Natürlich darf niemand wissen, dass ich den Kodex habe, sonst könnte ich Ärger mit Jean de Bouqetot und Johannes von Brogny bekommen. Momentan glauben beide noch, er befände sich zwischen all dem anderen Gerümpel in der Klosterkammer, doch sobald sie erfahren, dass er verschwunden ist, könnte ihr Verdacht durchaus auf mich fallen. Andererseits hatten beide böse Absichten mit dem Cicero-Kodex: Der eine wollte heimtückisch ein Gerichtsurteil damit erkaufen, der andere ihn hinterlistig des Nachts erschleichen, sodass wohl keiner von ihnen ein großes Geschrei darüber machen wird. Aber mir könnten sie gleichwohl auf ebenso heimliche Weise Unannehmlichkeiten bereiten, und eine Begegnung mit dem normannischen Herkules unter solchen Umständen mag ich mir lieber nicht vorstellen.
Du wirst recht bald wieder von mir hören!
Bis dahin grüßt Dich Dein glückseliger
Poggio
*
In der darauf folgenden Woche besserte sich langsam das Wetter, und König Sigismund wagte es, die Stadt zu verlassen und mit dem Schiff rheinabwärts über den Untersee bis Ratolfzell zu fahren. Dort wollte er die Huldigungen der Stadtoberen entgegennehmen, die er vom Joch des Herzogs Friedrich von Österreich befreit und direkt dem Reich unterstellt hatte. Mit Königin Barbara und dem weiteren Gefolge würde er für einige Tage in der Stadt des Heiligen Zeno weilen.
Die Menschen in Costentz atmeten auf, nicht weil der König fortgegangen war, sondern weil auch das Hochwasser sich den Rhein hinab verflüchtigt hatte. Die letzten Baumstämme an der Brücke wurden fortgeschafft und zu Feuerholz zerkleinert. Nun konnte man die Schäden begutachten, die die Überschwemmung angerichtet hatte, und mit Aufräumen und Reparieren beginnen. Die Arbeiter von der Stadtmauer in Stadelhofen wurden abgezogen und mussten, anstatt Mauerzinnen aufzurichten, die Pfähle der Hafeneinfahrt wieder fest im Seegrund verankern und die Kette neu befestigen. Überall wurde Schlamm fortgeschaufelt, Böden und Wände wurden geputzt, Waren und Möbel wieder an ihre vorherigen Orte zurückgebracht. Die Menschen waren gemeinsam an der Arbeit und froh, dass das Schlimmste überstanden war. In den Kirchen wurden Kerzen angezündet und Dankgebete gesprochen dafür, dass die Schäden und Verluste doch nicht so groß waren, wie man befürchtet hatte.
Nur im Kloster Petershausen, so hieß es, habe man abscheuliches Fluchen vernommen, und die Mitbrüder des Abtes von Saint Wandrille, so sagte man, seien noch tagelang verstört durch das Gästehaus geschlichen, immer auf der Suche nach etwas, das sie jedoch nicht nennen durften.
An einem dieser Abende saßen die Bäckergesellen mit Simon Ringlin im Lamm , als plötzlich Poggio Bracciolini hereinkam und sich freudestrahlend zu ihnen an den Tisch setzte.
»Meine Freunde, ich lade euch zu einem Glas Elsässer ein, denn ich habe gerade einen Boten mit einer wirklich frohen Botschaft auf den Weg in die wunderbare Stadt Florenz geschickt!«
Obwohl ihnen nicht sonderlich fröhlich zumute war, ließen sie sich doch ein wenig anstecken von seiner guten Laune. Er verriet ihnen nicht, worum es sich bei der frohen Botschaft handelte, sondern sprach nur geheimnisvoll von einem alten Freund, den er nach langen Jahren des Exils in seine Heimat zurückgesandt habe, wo er schon sehnsüchtig erwartet werde.
Dann begannen sie über König Sigismund zu sprechen und seine Fahrt nach Ratolfzell. Giovanni murrte, anstatt Ausflugsfahrten zu unternehmen, solle der König lieber endlich gegen den Ritter von End vorgehen, und Herr Ringlin pflichtete ihm bei. Poggio gab zu bedenken, dass Sigismund so viel zu tun habe, immerhin habe er dafür gesorgt, dass das Konzil nach der Flucht des Papstes weitergegangen sei.
»Nachdem er ihn vorher hat entwischen lassen!«, antwortete Giovanni gereizt.
»Ja, aber Johannes hat ihm auch etwas vorgespielt, bevor er geflohen ist«, wandte Poggio ein. »An jenem Tag hat der König zur Vesperzeit extra das Turnier verlassen, um mit dem Papst zu sprechen, weil ein Diener ihm zugetragen hatte, dass Johannes fliehen
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