In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
welche Anklagepunkte in dieser Schrift erhoben werden: Johannes sei von Jugend an völlig charakterlos und verdorben gewesen, seine kirchliche Karriere habe er mit Hilfe von Simonie gemacht, er habe, um selbst Papst zu werden, seinen Vorgänger Alexander V. vergiftet, als Papst habe er Gebet, Gottesdienst und Fasten vernachlässigt, seine Sittenlosigkeit durch Ehebruch mit der Frau seines Bruders, Unzucht, ja Sodomie in zahllosen Fällen an den Tag gelegt, er habe Kirchengut verschleudert, den Klerus bis zur Verarmung besteuert und nicht zuletzt die Auferstehung Christi und das ewige Leben geleugnet. Er sei also, kurzgefasst, ein Mörder, Ehebrecher, Simonist und Häretiker, und damit als Papst untragbar geworden.
Mir scheint, dass die Untersuchungskommission den Kanon der Zehn Gebote gründlich studiert und sich dann diejenigen Vergehen ausgesucht hat, die am meisten dazu angetan sind, einen Menschen vollkommen zu diskreditieren. Der Zweck dieser meines Erachtens unheiligen Mittel ist klar: Johannes soll ebenso abgesetzt werden wie die anderen beiden Päpste, damit der Weg frei wird für einen neuen Papst.
Nun finde ich weder diesen Zweck verwerflich, noch halte ich Johannes für einen Heiligen, denn ich kenne ihn vermutlich besser als die meisten Mitglieder der besagten Kommission, dennoch erscheint mir die schiere Anzahl der Anklagepunkte vollkommen übertrieben, vornehmlich dazu geeignet, aller Welt deutlich zu machen, dass Johannes als Papst wirklich untragbar geworden ist.
Ihr Ziel haben Fillastre und seine Mitstreiter jedenfalls erreicht: Johannes ist am vergangenen Mittwoch, dem Tag vor Fronleichnam, offiziell abgesetzt worden. Ohne Gegenzeugen und Gegenstimmen wurde er vom Konzilspräsidenten Brogny, dem Kardinalbischof von Ostia, für schuldig erklärt. Seinen Anhängern wurde verboten, ihm weiter Gehorsam zu leisten. Dies betrifft mich ja nun nicht mehr, da ich ohnehin schon seit einiger Zeit in Brognys Diensten stehe und mich nicht mehr zu Johannes’ Gefolge zähle.
Was mich allerdings sehr verwundert, ist, dass Johannes sich mit allem einverstanden erklärt hat. Sollte er plötzlich doch noch zum guten Hirten geworden sein, der es ehrlich meint mit seinen Lämmern? In seinen ganzen Regierungsjahren war er gewöhnlich mehr auf das Scheren als auf das Weiden der Lämmer bedacht, wenn er sie nicht gleich mit Haut und Haar verspeist hat. Oder hat er sich zuguterletzt im Angesicht des Unausweichlichen doch noch auf die Grundlagen seines Amtes besonnen? Aber vielleicht hat er auch einfach nur eingesehen, dass das Spiel für ihn zu Ende ist und er besser daran tut, sich mit dem König und den Kardinälen zu arrangieren.
Da auch die Anhänger der beiden anderen Päpste im Urteil aufgefordert wurden, sich von ihren Obödienzen zu trennen, kann man nun wenigstens hoffen, dass bald ein neuer Papst gewählt wird und dieses unselige Schisma, das die Christenheit schon so lange erschüttert, ein Ende findet.
Eine Nachricht ganz anderer Art wurde heute von Reitern aus Basel mit nach Costentz gebracht: Die große Stadt am Knie des Rheins ist von einem schrecklichen Erdbeben heimgesucht worden. Viele Häuser seien eingestürzt, und die Menschen voller Angst aus den Mauern geflüchtet. Sofort kamen Stimmen auf, dies sei Gottes Strafe für die Verderbtheit der Prälaten und den starrköpfigen Widerstand der Kirchenfürsten gegen die Einigung der Kirche. Doch dann, mein lieber Niccolò, hätte wohl in Costentz die Erde beben müssen und nicht in Basel. Auch entsinne ich mich, dass mir im August letzten Jahres ähnliche Dinge vom Erdbeben zu Florenz berichtet wurden, und auch dort befand sich weder ein Konzil noch ein Papst. Wenn nicht natürliche Ursachen für die Erschütterung der Erde verantwortlich sind, so muss es wohl die Bosheit aller Menschen sein, die Gott zu solcher Strafe veranlasst.
Eine andere Sache scheint sich indes zum Guten zu wenden. Der Raubritter, der dem jungen venezianischen Bäcker die Geliebte entführt hat, hat den Bogen nun doch überspannt. Er ließ ein Costentzer Schiff, voll beladen mit Waren für die hiesigen Kaufleute, von seinen Leuten aufbringen und ausrauben. Und da verstehen die Bürger dieser friedlichen kleinen Stadt keinen Spaß. Solange nur fremde Kaufleute überfallen und beraubt wurden, konnte der Ritter sich noch relativ frei in der Stadt bewegen, doch nun ist er zu weit gegangen, man hat ihn festgenommen und wird sein Räubernest ausräuchern. Dabei wird hoffentlich
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