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In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)

In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)

Titel: In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Küble , Henry Gerlach
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Doch noch war er nicht in Sicherheit. Wenn Bäcker Katz erwachte und seine Flucht bemerkte, würde er sicher die Gesellen, die Cunrat gefangen hatten, hinter ihm herschicken. Zum einen, um ihn wieder einzufangen, aber auch, um ihn daran zu hindern, dass er zum Vogt ging und Anzeige wegen der Entführung erstattete.
    Doch Cunrat dachte nicht an eine Anzeige, er dachte nur daran, in sein Bett zu kommen. So schnell er konnte, schleppte er sich im Schutz der Dunkelheit die Mordergasse entlang zur Marktstätte und weiter über den Oberen Markt und die Plattengasse zum Münster bis in die St.-Johann-Gasse, wo ihn die vier Venezianer in ihrem Schuppen mit lautem Schnarchen empfingen.
    Cunrat war am Ende seiner Kräfte, als er die Tür aufstieß. »He!«, konnte er nur noch rufen, dann sank er erschöpft auf sein Bett. Ein Schrei ließ ihn wieder hochfahren, denn inzwischen hatte Giovanni es sich darin bequem gemacht. Als der erkannte, wer da schwer auf ihn gefallen war, zog er Cunrat an sich und umarmte ihn heftig.
    »Cunrat, du bist wieder da! Wo warst du denn?« Dann fügte er schnell hinzu: »Mensch, wir wollten schon deine Sachen zu Geld machen!« Doch Cunrat schien es, als ob er ihn im Dunkeln schnäuzen hörte.
    Auch die anderen Bäcker waren inzwischen aufgewacht und begrüßten den verlorenen Genossen mit Schulterklopfen und Umarmungen.
    Schließlich sagte Giovanni lachend: »Du stinkst wie die Füchse im Oktober, mein Freund! Hat man dich denn nicht gebadet und gesalbt, da wo du warst? Wir dachten, du hättest dich für ein paar Tage in einem Freudenhaus verkrochen!«
    Doch so sehr sie auch in ihn drangen, er erzählte ihnen nicht, wo er sich die vergangenen drei Tage aufgehalten hatte. Dafür war er viel zu müde, und außerdem musste er erst darüber nachdenken, was er nun weiter tun sollte.

    *
    Poggio Bracciolini an Niccolò Niccoli, am 24. Mai, dem Tag des Heiligen Simeon Stylites, im Jahre des Herrn 1415

    Mein lieber Niccolò,

    im letzten Brief hatte ich Dir von der Gefangenschaft unseres Papstes Johannes berichtet. Nun ist auch ein anderer gefangen und direkt nach Costentz gebracht worden, wo ihm als Ketzer der Prozess gemacht werden soll: der Böhme Hieronymus von Prag, ein Glaubensgenosse des Johannes Hus. Er war im April bereits in Costentz gewesen, hatte dann aber angesichts von Hussens Schicksal die Flucht ergriffen, doch umsonst. Die Gegner von Hus, Michael de Causis, Stephan Palec und ihre Anhänger, allesamt Böhmen, haben dafür gesorgt, dass Hieronymus offiziell vor das Konzil zitiert wurde. Herzog Johann von Baiern hat ihn auf seinem Weg in die Heimat abgefangen und zurück nach Costentz gebracht. Hier wurde er in Ketten durch die ganze Stadt gezerrt und dann im Franziskanerkloster der Konzilsversammlung zum Verhör vorgeführt. Ich war als Sekretarius des Kardinalbischofs von Ostia auch anwesend, und ich muss dir gestehen, mein Niccolò, dass ich niemals jemandem begegnet bin, der beim Vortrag seines Anliegens – aus dem Stegreif heraus! – an Beredsamkeit den antiken Vorbildern näher gekommen wäre, die wir so bewundern. Es war wunderbar zu erleben, mit welch ausgesuchten Worten, welcher Vortragskunst, welcher Argumentationskraft, mit welchem Mienenspiel, welcher Stimmgewalt, welchem Selbstvertrauen Hieronymus seinen Gegnern – allen voran Jean Gerson – Antwort gab und zum Schluss sein Anliegen in freier Rede vortrug. Es ist ein wahrer Jammer, dass ein so edler und herausragender Geist sich mit so nichtswürdigem Häresientrödel abgibt – wenn es denn stimmt, was man ihm vorwirft! Die Absurdität der gegen ihn erhobenen Klagen kennt indes kaum Grenzen. Ich will dir nur ein Exempel nennen: Am Dienstag in der Pfingstoktav des Jahres 1411 habe er die päpstlichen Ablassbullen einigen Huren an die Brüste hängen und so in der Stadt herumführen lassen. Bewaffnete Wyclifisten hätten den Wagen umgeben und auf sein Geheiß gerufen, dass die Bullen eines Häretikers und Hurenwirts verbrannt würden. Wenn du diesen Mann erlebt hättest, würdest mir beipflichten, dass solche Anschuldigungen wohl nur von einem besonders perfiden Gegner ausgedacht worden sein können.
    Einem Redner wie Hieronymus würde ich gerne öfter lauschen, denn die meisten Predigten, die man in den Kirchen der Stadt zu hören bekommt, sind von unendlicher Ödheit. Da geht es um Zänkereien und Streitigkeiten verschiedener theologischer Schulen, um die Unbefleckte Empfängnis Mariens oder die kleinliche Auslegung

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