In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
und gebratene Hühner von einer großen Metallplatte nahmen, die vor ihnen auf dem Tisch stand, wurden sie von den übrigen Anwesenden neugierig gemustert.
»Die schauen uns alle so komisch an!«, stellte Cunrat unbehaglich fest.
»Bestimmt fragen sie sich, warum ein jüdischer Arzt auch Gojim zum Fest geladen hat!«, erklärte ihm Giovanni.
»Gojim?«
»Das sind wir, die Nichtjuden. Jedenfalls für einen Juden.«
»Meinst du, alle anderen, die hier sind, sind Juden?«
»Natürlich, mein Freund. Siehst du nicht ihre Hüte? Und die langen Bärte?«
Cunrat fühlte sich immer fremder. Er musste an die unheimlichen Tierbälge unter Meister Ismaels Dach denken und fragte sich, was sich wohl sonst noch alles in diesem Haus verbarg.
»Hoffentlich tun sie uns nichts!«
Da sah ihn Giovanni kopfschüttelnd von der Seite an.
»Mein lieber Cunrat, wir sind zu Gast bei Meister Ismael, der mir einer der klügsten und liebenswürdigsten Menschen in Costentz zu sein scheint. Du glaubst doch nicht, dass er jemals zulassen würde, dass uns etwas passiert!«
Und Poggio ergänzte: »Juden sind gute Leute, auch wenn ihre Sprache ist komisch. Sie schauen uns nur an, weil wir sind fremd.«
Als Cunrat sich noch einmal umsah, bemerkte er in der Tat, dass in den Augen der Männer an den anderen Tischen nur Neugier zu sehen war, höchstens ein wenig Misstrauen, aber kein Hass oder gar Angriffslust. Er atmete tief durch und dachte, dass vielleicht die Juden sich so fremd fühlten wie er, wenn sie nicht gemeinsam in einem schönen Innenhof saßen wie an diesem Abend, sondern allein durch die Straßen der Stadt gehen mussten, wo jedermann sie an ihrem Hut und ihren Kleidern erkennen konnte. Und wieder einmal kam ihm Bärbeli in den Sinn und ihre böswillige Bemerkung, als sie Meister Ismael in der Mordergasse getroffen hatten, damals an seinem ersten Tag in Costentz. Wie hatte er dieser Frau nur jemals so nahe kommen können?
Schon wollten die schlimmen Erinnerungen an seine Kellerhaft, die er in den letzten Tagen erfolgreich zur Seite gedrängt hatte, zurückkehren, da wurde er aus seinen Überlegungen gerissen. Der Arzt war zu ihnen getreten und gab ihnen ein Zeichen, ihm zu folgen.
Sie stiegen die Treppe des rückwärtigen Hauses hoch, und Cunrat befürchtete, sie würden wieder bei der Sammlung von Tierskeletten landen, doch der Arzt führte sie im zweiten Geschoss durch mehrere Räume bis vor eine einfache Holztür. Vom Hof klang die Musik zu ihnen herauf.
Bevor er die Tür öffnete, bat Meister Ismael sie noch, Herrn Ringlin die schlimmen Neuigkeiten vorsichtig beizubringen, weil er noch nicht vollständig genesen sei. Dann ließ er sie in eine kleine Kammer treten, die nur von einem Öllämpchen beleuchtet war. Ein Bett, ein Tisch mit Hocker und eine Truhe füllten den Raum fast völlig aus. Herr Ringlin saß aufrecht auf seiner Schlafstatt, doch sie hätten ihn fast nicht erkannt. Seine Haare waren kurz geschoren, und der Bart war vollständig abrasiert. Zum ersten Mal sahen sie sein eigentliches Gesicht, ein graues, trauriges Antlitz, von Falten zerfurcht und durch die Narbe über dem Auge gezeichnet. Vor sich hatte er eines der Bücher von Meister Ismael. Die Augengläser, die dieser ihm zum Lesen geliehen hatte, legte er bei ihrem Eintreten mit der linken Hand rasch auf das Buch, richtete sich auf und blickte ihnen hoffnungsvoll entgegen.
»Giovanni, Cunrat, Herr Poggio! Bringt Ihr mir Nachrichten von meiner Lucia? Habt Ihr sie gefunden?«
Alle drei zögerten und überlegten, wie sie ihm die schlechte Nachricht entsprechend der Weisung von Meister Ismael vorsichtig beibringen konnten, doch mit ihrem Zögern erübrigte sich die Antwort. Matt ließ der enttäuschte Vater sich zurücksinken. Sein rechter Arm lag kraftlos auf der Bettdecke.
»Also nicht. Sagt mir dennoch, was habt Ihr auf Burg Grimmenstein gefunden?«
»Wir wissen, dass sie lebt, Herr Ringlin«, antwortete Cunrat rasch. Ihm tat der alte Mann leid. Cunrat hatte seinen Vater vor langer Zeit verloren, doch wenn er sich einen Vater hätte wünschen dürfen, dann einen, der sein Kind so liebte wie Simon Ringlin seine Lucia.
Der fragte nun verzweifelt: »Aber wo?«, dann etwas leiser: »Und wie?«
Da ließ sich Giovanni neben dem Bett auf die Knie nieder, nahm die Hände des Alten und sagte: »Herr Ringlin … Vater! Wir werden sie finden. Und wir werden diesen Hundsfott bestrafen!«
»Wen denn? Wenn es nicht der Ritter von End war, wer hat sie dann
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