In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Glocken des Münsters zu läuten begannen. Das Kirchenportal öffnete sich, und Jan Hus erschien, neben ihm zwei Diener Herzog Ludwigs. Die Menschen strömten vor dem Portal zusammen in der Erwartung, den Teufel höchstpersönlich zu erblicken. Was sie jedoch zu sehen bekamen, war ein dürrer bartloser Mann im schwarzen Gewand mit verziertem Gürtel, an dem zwei kleine Messer und ein Geldbeutel hingen. An den Füßen trug er lederne Schuhe, seine Hände waren nicht gebunden. Nichts an ihm hätte auf einen verurteilten Ketzer schließen lassen, wenn er nicht auf seinem Haupt eine weiße hohe Krone aus Papier getragen hätte, die mit drei Teufeln bemalt war und die Inschrift Heresiarcha trug.
»Erzketzer«, übersetzte ein Kleriker, der gerade eine Hühnerpastete gekauft hatte, für die Bäcker. »Sie haben ihn also verurteilt. Dann wird es heute noch ein Feuerchen geben!«
In der Menge erhob sich Geschrei: »Tod dem Ketzer! Auf den Scheiterhaufen mit ihm!«, und den königlichen Söldnern gelang es nur mit Mühe, die Menschen am Fuß der Kirchentreppe zurückzuhalten.
Das kleine Häuflein seiner Getreuen stand traurig und verloren abseits auf der Plattenstraße, und überrascht sah Cunrat, dass auch Gretli unter ihnen war. Er erinnerte sich, dass Bärbeli zu den Predigten von Jan Hus gegangen war, aber Gretli hatte ihm gegenüber nie ein Wort über den Böhmen und seine Ideen verloren.
Rasch ging er zu ihr und nahm sie beiseite.
»Gretli, was machst du hier?«
»Ach Cunrat, heute ist ein schwarzer Tag. Siehst du den Herrn Magister? Man hat ihn verurteilt, weil er es gewagt hat, seine Stimme gegen Unrecht und Falschheit zu erheben!«
»Du bist eine Anhängerin des Ketzers?«
Gretlis Blick wurde hart.
»Er ist kein Ketzer! Was er sagt, steht in der Heiligen Schrift!«
»Woher weißt du das?«
»Frau Tettikoverin hat mir seine Schriften zu lesen gegeben. Ihr Mann hat ihr verboten, sich offen zu ihm zu bekennen, darum ist sie heute auch nicht hergekommen, aber sie hat mich geschickt, damit ich ihr berichten kann, welches Schicksal man dem Magister bereitet hat.«
»Er wird sterben, und es ist gefährlich, zu seinem Anhang zu gehören! Hörst du nicht, wie die Leute nach seinem Tod schreien?«
Gretli ließ ihren Blick über die Menschenmenge schweifen, wo sie Gesichter voller Hass und Erregung sah, aufgerissene Münder, verzerrte Züge, zornschwarze Augen, obszön gestikulierende Hände.
Jan Hus ließ sich von dem wütenden Geschrei jedoch nicht beeindrucken. Seine Lippen bewegten sich im Gebet.
»Schau ihn dir an, Cunrat, seine Augen! Siehst du, wie viel Liebe und göttliche Glut aus ihnen leuchtet?«
Cunrat sah Augen, die wie im Fieber glänzten, während das Geschrei der Menge immer heftiger wurde.
Da erschien der König vor dem Kirchenportal, im prächtigen Ornat, und mit ihm die wichtigsten Kardinäle und Fürsten. Im Gefolge des Kardinalbischofs von Ostia befand sich auch Poggio Bracciolini.
Die Menge verstummte, und Sigismund begann: »Die ehrwürdigen Väter des Conciliums haben das Urteil über diesen Mann, den Magister Jan Hus aus Böhmen, gesprochen und ihn aufgrund der Verstocktheit, mit der er seinen Ideen anhängt, als Ketzer verurteilt.«
Wieder schrien die Menschen los. Gretli fing an zu weinen, und Cunrat legte tröstend den Arm um sie.
Dann wandte sich der König an Herzog Ludwig von der Pfalz.
»Da ich derjenige bin, der das weltliche Schwert führt, so nehmt Ihr ihn, Herzog Ludwig, unseres und des Heiligen Römischen Reiches Kurfürst und unser Erztruchsess, und tut ihm, wie einem Ketzer gebühret, an unserer Stelle!«
Herzog Ludwig verneigte sich, und der König kehrte mit den anderen Prälaten in das Münster zurück, wo die Konzilssitzung fortgeführt wurde.
»Ich glaube, er ist ganz froh, dass er bei der Verbrennung nicht dabei sein muss!«, stellte Giovanni fest, der zu Gretli und Cunrat getreten war. »So ganz wohl scheint ihm nicht zu sein bei der Sache.«
Nun winkte Pfalzgraf Ludwig den Vogt Hanns Hagen herbei und übergab ihm die Aufgabe, Jan Hus zur Hinrichtung vor die Stadt zu führen, auf den Brühl, eine große Wiese in der Paradieser Vorstadt. Dort fanden die Hinrichtungen durch das Feuer statt, und wie am Galgenhügel gab es auch hier einen Schindanger.
Die Nachricht von der bevorstehenden Verbrennung des Ketzers verbreitete sich rasend schnell in der Konzilsstadt. Während Hus ohne Handfesseln im Geleit vieler gewappneter Männer durch die Plattengasse Richtung
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