In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Oberer Markt schritt, strömten von allen Seiten die Menschen herbei, um dem Spektakel seines Todes beizuwohnen. An der Stelle, wo sich die Plattengasse nach der Bischofspfalz zu einem kleinen Platz erweiterte, hatte man links schon einen Haufen mit seinen Schriften aufgeschüttet, der nun in Brand gesteckt wurde. Hus lächelte nur im Vorbeigehen.
Als der Tross mit dem Verurteilten zum Oberen Markt kam, war schon fast kein Durchkommen mehr, und Hanns Hagens Stadtwachen mussten mit Gewalt einen Weg frei machen, damit der Delinquent durch das Rindportertor hinaus ins Paradies gebracht werden konnte. Vor der Brücke, die hinter dem Tor über den Stadtgraben führte, musste man die Menschen zurückhalten, nur truppweise wurden sie durchgelassen, weil man befürchtete, dass das hölzerne Gewölbe zusammenbrechen könnte.
Auch die Bäcker mit ihrem brotbeladenen Wagen gelangten nur mit Mühe zur Hinrichtungsstätte, die nicht weit von der nach Gottlieben führenden Weißen Straße zwischen den Gärten lag. Gretli war ins Hohe Haus zu Frau Tettikoverin zurückgekehrt, um ihr die traurige Nachricht von der Verurteilung zu überbringen. Bei der Vollstreckung des Urteils wollte sie nicht dabei sein. Cunrat war froh darüber, denn er machte sich Sorgen um sein Mädchen, umso mehr, als die Gegner des Magisters immer aufgepeitschter ihren Hass herausschrien.
Als die Bäcker endlich einen guten Verkaufsplatz in der Nähe des Schindangers gefunden hatten, war es schon um die elfte Stunde. Die Menschen hatten Hunger, und so gingen die Brotvorräte noch vor Hussens Tod zur Neige.
Der Henker Egli Locher hatte mit seinen Helfern schon seit dem frühen Morgen alles vorbereitet. Ein dicker Balken von der Stärke eines halben Fußes war an einem Ende angespitzt und in den Boden des Schindangers gerammt worden. Rund um den Pfahl lagen Holzbündel bereit, die mit Stroh vermischt waren. Zwei Wagen voll waren herangeschafft worden.
Als Jan Hus den Haufen sah, versagten ihm die Knie, doch dann fing er an, laut zu beten: »Herr Jesus Christus! Diesen entsetzlichen, grausamen und schändlichen Tod will ich um deines Evangeliums und um der Predigt deines Wortes willen auf das geduldigste und demütig ertragen.«
Danach führte man ihn an den Umstehenden vorbei, und er bat sie, nicht zu glauben, dass er die ihm durch falsche Zeugen aufgebürdeten Artikel gepredigt und gelehrt habe. Die Menschen reagierten unterschiedlich. Manche fielen auf die Knie und bekreuzigten sich, andere versuchten, sein Gewand zu berühren, viele aber lachten ihn aus oder verhöhnten ihn mit obszönen Gesten. Cunrat wusste nicht recht, was er davon halten sollte, er hatte sich den Ketzer ganz anders, dämonischer vorgestellt. Giovanni hingegen schüttelte nur den Kopf: »Warum hat er nicht widerrufen? So ein Verrückter, sich wegen ein paar Artikeln verbrennen zu lassen!«
Als dem Verurteilten die Schandkrone mit den gemalten Teufeln vom Kopf rutschte, riefen ein paar Söldner, man solle sie ihm wieder aufsetzen, damit er zusammen mit den Herren, denen er gedient habe, den Dämonen, verbrannt werde.
Zum Schluss fragte man Hus, ob er beichten wolle, doch fand sich kein Priester, der einem Ketzer die Beichte abnehmen wollte, und so sagte er: »Es ist nicht nötig, ich bin kein Todsünder.«
Nun wartete alles in der sengenden Sonne auf die Verbrennung. Cunrat und Giovanni hatten sich mithilfe von Cunrats Ellbogen bis in die vorderste Reihe durchgekämpft, sodass sie alles aus nächster Nähe beobachten konnten.
Hus wurde mit dicken Tauen an die Holzsäule gefesselt, die Hände auf dem Rücken, unter den Füßen zwei Bund Holz. Zunächst war sein Gesicht nach Osten ausgerichtet, doch es erhob sich Protest dagegen, dass ein Häretiker in die Richtung schauend verbrannt werden sollte, aus der man das Kommen Christi erwartete. So wurde er auf die andere Seite der Säule gestellt, nach Gottlieben zu.
Dann legte Egli Locher ihm eine rußige Kette um den Hals, die wohl noch von der letzten Verbrennung stammte. Hus lächelte nur darüber und sagte: »Der Herr Jesus Christus ist mit einer härteren und schwereren Kette gefesselt worden, und ich Armer scheue mich nicht, um seines Namens willen diese Kette zu tragen.«
Als die Leute diese Worte hörten, fingen viele an zu beten. Auch Cunrat bekreuzigte sich und sagte zu Giovanni: »Ich weiß nicht, was man ihm alles vorwirft, das er gesagt und getan haben soll, aber was er jetzt gesagt hat, sind heilige Worte! Gretli hat
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