In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
welscher Graf habe sie im Kloster zurückgelassen, und sie sei dort als heimliche Gefangene. Niemand hat sie je gesehen, aber mancher, der ins Kloster kommt, um Wein oder Fische zu liefern, hat ihren Gesang vernommen. Sie sagen, er sei süß wie der einer Nachtigall!«
»Und wer hat euch das erzählt?«
»Eine Fischhändlerin unten am Cunratstor, und die hat es von einem Fischer von der Richenow gehört, nicht wahr, Froschmaul? So hast du mir’s doch berichtet!«
Peter Froschmaul winkte ärgerlich ab.
»Alles nur Gerede!«
Doch Cunrat fragte sich, wie es kam, dass Peter Froschmaul die Frau so genau beschreiben konnte, wenn noch niemand je die Gefangene gesehen hatte. Die Beschreibung passte genau auf Lucia. Hatte der Conte sie gar nicht mit sich fortgenommen? War sie womöglich immer noch auf der Insel? Und was wusste Peter Froschmaul darüber?
»Frag doch die Fischhändlerin!«
Am Morgen nach Giovannis Absturz war Gretli an den Bäckerstand gekommen, um wie jeden Tag das Brot für die Familie Tettikover einzukaufen. Giovanni lag noch im Bett, sein Rausch hatte für den Rest des Tages und die folgende Nacht gereicht, und auch am nächsten Morgen war er noch nicht in der Lage, sich zu erheben. So berichtete Cunrat dem Mädchen ausführlich, was geschehen war, von Giovannis Enttäuschung darüber, dass Lucia wahrscheinlich auf der Richenow gewesen war, von wo der Conte sie leicht hatte mitnehmen können, und von Peter Froschmauls Lied.
»Aber vielleicht ist es doch nur ein Lied, vielleicht steckt gar nichts dahinter!«
Cunrat hatte Giovanni nichts davon erzählt, der Freund hatte das Lied nicht gehört, und er wollte ihm nicht neue Hoffnungen machen, Lucia zu finden, die sich vielleicht wieder als trügerisch erweisen würden, zumal Peter Froschmauls Reaktion auf seine Nachfrage so abwehrend gewesen war. So lag es nun allein an ihm, zu entscheiden, wie ernst er das Gesungene nehmen und ob er deshalb etwas unternehmen sollte.
Doch Gretli riet ihm, die Fischhändlerin zu fragen. »Das kostet dich nichts, und danach weißt du mehr!«
Also ließ er seine venezianischen Freunde allein und ging zum Fischmarkt am Cunratstor. Die Frau bestätigte Peter Froschmauls Geschichte von der geheimnisvollen Sängerin mit der Nachtigallenstimme, auch wenn sie nicht die Details kannte, mit denen er sein Lied ausgeschmückt hatte. Cunrat beschloss, noch am selben Tag zur Insel Richenow zu fahren, um mit dem Abt zu sprechen. Er glaubte nicht, dass dieser ihn abweisen würde. Der Abt in seinem Klosterdorf Weißenau hätte dies jedenfalls nicht getan, den hatte er als gütigen Herrn über alle Seelen des Dorfes kennengelernt, jederzeit bereit, auch dem Geringsten seiner Untertanen Gutes zu tun, ganz so, wie Jesus es im Matthäusevangelium gefordert hatte. Cunrats Plan war, den Abt um Lucias Freilassung zu bitten, wenn sie noch auf der Richenow war. Sollte die singende Frau aber doch nur eine erfundene Mär sein, dann hatte er Giovanni wenigstens nicht damit belästigt.
Noch vor Mittag war Cunrat mit einer Lädine auf dem Rhein unterwegs. Das Schiff hatte Rebstangen geladen, die nach Diessenhofen verschifft werden sollten. Unterwegs war auch ein Halt auf der Richenow vorgesehen, um einen Teil der Stangen für die dortigen Rebberge abzuliefern.
Es war ein heller Sommertag. Zum ersten Mal fuhr der Bäcker mit einem Schiff unter der Rheinbrücke hindurch. Zerberus saß neben ihm. Sie glitten mit der Strömung die Stadtmauer entlang, die am Pulverturm endete, danach begann das Paradies mit seinen Gehöften, dem kleinen Fischerdorf und den Obstgärten. Rechter Hand erhoben sich die Mauern des Klosters Petershausen. Dann ließen sie die Stadt hinter sich, und der Rhein zog sich in weiten Schleifen nach links, nach rechts und wieder nach links. Cunrat sah den Strom vor sich hinab fließen, an seinen Ufern begleitet von Schilf und Weiden, von Eschen, Erlen und Birken. Ab hier war ihm die Landschaft unbekannt, und als links Schloss Gottlieben auftauchte mit seinen zwei mächtigen Türmen, fragte er den Steuermann, wem denn dieses Schloss gehöre. Bereitwillig erzählte ihm der Schiffer, dass es das Schloss des Bischofs sei, in dem noch vor Kurzem ein Papst und ein Ketzer gefangen gewesen seien, und die Halbinsel, die vor ihnen in der Ferne lag, sei die Bischofshöri, weil auch sie dem Bischof gehöre.
Dahinter schwappten die Wellentürme der Hegowberge im blauen Dunst von einer Uferseite zur anderen; auf jedem Hügel erhob sich eine
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