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In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)

In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)

Titel: In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Küble , Henry Gerlach
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richtige Menschen. Diese hier ähnelten in der Grobheit ihrer Gesichtszüge Riesen und in der Gedrungenheit ihrer Leiber Zwergen, Missgeburten, wie man sie hin und wieder bei den Gauklern besichtigen konnte. Ihre großen Augen ohne Farbe schienen blind zu sein, und Cunrat wandte sich schaudernd von den Aussätzigen und ihren Heiligen ab.
    »W… wofür hat G… gott sie nur g… gestraft?«, fragte er seine Genossen.
    »Für ihre Verderbtheit!«, antwortete Joß gehässig. »Und wenn sie dich anhauchen, bekommst du den Aussatz auch!«
    Cunrat musste an seine Nächte mit Bärbeli denken und verstummte.
    »Ach was, Verderbtheit!«, entgegnete da Giovanni. »Es sind die schwarzen Gallensäfte, die im Körper überhandnehmen!«
    »U… und w… warum?«
    »Warum, warum, ich bin kein Arzt, ich weiß nur, dass wir vier verschiedene Körpersäfte haben, und wenn einer überhandnimmt, dann wird der Mensch krank.«
    Cunrat bewunderte Giovanni für sein großes Wissen, während Joß den Welschen immer noch misstrauisch betrachtete.
    Sie beratschlagten, was sie denn nun tun sollten, da erzählte Joß etwas von einer Hütte in den Obstgärten vor dem Emmishofertor, in der Rebstangen und Rechen aufbewahrt wurden. Tatsächlich fanden sie dort einen Unterschlupf, auch wenn Cunrat dieser Ort unheimlich war, weil nur ein kleines Stück weiter den Hügel hinauf der Galgen stand. Dort hing zwar momentan kein Toter, denn man erwartete ja hohen Besuch und wollte diesem den Anblick eines krähenzerfetzten Leichnams nicht zumuten. Aber Cunrat wusste, dass die früher Erhängten auf dem Schindanger unter dem Galgen begraben worden waren. Er bekreuzigte sich und sprach ein kurzes Gebet für ihre Seelen, auch wenn diese vermutlich zu Höllenqualen verdammt waren.
    Die Hütte war recht schief, aus groben Holzbrettern gezimmert, durch die der Wind pfiff, mit einer Tür, die mit einem hölzernen Riegel gesichert war. Rundherum standen Holunderbüsche, die sie im Sommer wahrscheinlich vor den Blicken von der Straße her schützten. Jetzt im Herbst war ihr gelbes Laubkleid dünn geworden, da und dort sah man ein paar Dolden blauschwarzer Beeren zwischen den wuchernden Zweigen schimmern, die der Ernte und den Vögeln entgangen waren. Cunrat musste an den dunklen Sirup denken, den seine Mutter jedes Jahr aus Holunderbeeren kochte, damit er ihn bei Katarrh in den heißen Wein gemischt trinken konnte.
    Während Giovanni trotz seines verbundenen Armes unter den Obstbäumen etwas Laub für ihre Bettstatt zusammensuchte und Joß sich in der Hütte auf dem blanken Boden niederließ, hüllte Cunrat seine Decke um die Schultern, setzte sich in den Rahmen der offenen Tür und richtete den Blick von der leichten Anhöhe auf die Stadt Costentz. Er versuchte, nicht an die Toten auf der Galgenhalde und die lebenden Toten im Siechenhaus zu denken.
    Die Konzilsstadt kam ihm von dieser Seite ganz anders und neu vor. Der Blick erstreckte sich vom Kreuzlinger Kloster und dem gleichnamigen Tor über das Emmishofertor die Mauer entlang zum Rindportertor – dahinter lag die Schänke von Tettinger – über die Paradieser Vorstadt hinweg mit ihren Gärten, Wiesen und kleinen Gehöften bis zum Bündrichstor und schließlich zum Pulverturm am Rhein. Hinter den Mauern konnte man in ganz ungewohnter Reihenfolge die Türme von St. Lorenz, St. Stephan, dem Münster und St. Johann erkennen. Das ihnen am nächsten gelegene Emmishofertor schien zum Greifen nahe. Es war ein schöner Herbsttag, die Obstbäume um die Stadt waren rot und gelb gefärbt, und etwas von der freudigen Erwartung, die Cunrat erfüllt hatte, als er mit dem Schiff von Meersburg kommend auf die Konzilsstadt zugefahren war, keimte erneut in ihm auf.
    Er würde morgen mit dem Grafen Cilli in die Stadt zurückkehren. Und er würde Bärbeli nicht heiraten. Ob er unter diesen Umständen im Hause Katz bleiben konnte, musste sich noch zeigen. Wenn nicht, würde er sich eine andere Arbeit suchen. Er sah Giovanni an, der mit einem Armvoll Laub daherkam und ein Liedchen vor sich hin pfiff.
    Etwas würde sich finden.

    Gegen Abend kam wieder Nebel auf. Langsam verschwanden Tore und Türme im grau-milchigen Einerlei, nur die hölzernen Kräne auf der Mauer streckten ihre ausladenden Arme noch lang in den Himmel. Sie erinnerten Cunrat plötzlich an Galgen. Dann waren auch sie verschwunden.
    Die drei verkrochen sich vor Nebel, Kälte und Dunkelheit in die Hütte. Sie hatten nun alle Brote aufgegessen und legten sich

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