In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
manchmal Handelsreisen unternommen, unter anderem nach Sizilien. So hat er ihre Mutter kennengelernt und mit nach Mailand gebracht. Lucia ist praktisch im Kontor aufgewachsen. Oh, sie ist sehr klug, kann schreiben und rechnen und spricht vier Sprachen.«
»V… vier? Welche d… denn?«
»Also, Deutsch und Italienisch natürlich, und dann noch Lateinisch, sie kann ja schreiben, und Katalanisch. In Sizilien herrschen die Aragonesen. So hat sie von ihrer Mutter auch noch Katalanisch gelernt.«
»Und w… warum ist sie jetzt eine, eine …«
Giovanni funkelte ihn gefährlich an.
»Eine Hure, meinst du? Fortuna war ihrer Familie wahrlich nicht wohlgesinnt. Das Schiff ihres Vaters ist vor drei Jahren bei einer Reise nach Palermo von Piraten überfallen worden. Dabei wurde er getötet. Lucia hat ihn sehr geliebt und betet jeden Tag für ihn. Sein Stellvertreter, ein junger Deutscher, wollte ihn in Kontor und Bett beerben, aber Lucias Mutter war nicht einverstanden. So hat er mit den Ravensburgern eben nur einen Kontrakt fürs Kontor ausgehandelt, und die Mutter musste mit Lucia das Haus verlassen. Da ihre Eltern nicht mehr lebten, war sie mit ihrer Tochter auf sich allein gestellt. Sie sind wohl eine Zeitlang mit einer fahrenden Truppe herumgereist. Lucia hat gesagt, ihre Mutter konnte gut singen. Aber dann ist sie krank geworden, ihre Stimme war nicht mehr schön, und da musste sie eben …«
Cunrat wagte nicht zu sagen, was ihm auf der Zunge lag, nämlich, dass also auch ihre Mutter schon eine Hure gewesen war, und in der Tat hatte er besser daran getan, es für sich zu behalten, denn Giovanni fuhr nun sehr ernst fort: »Weißt du, Cunrat, ich kenne das. Meine Mutter war eine fromme Frau, ich schwöre es dir, aber als mein Vater starb, da hatte sie keine andere Wahl, wir waren noch klein, meine Geschwister und ich, und wir hatten immer Hunger, sie versuchte alles, Spinnen, Hausarbeiten bei den braven, ach so ehrbaren Bürgersleuten, um einen Hungerlohn, sie wollte nicht, dass wir betteln gingen, aber es hat einfach nicht gereicht, und ich weiß noch, wie wir alle zusammen auf der Bank in der Stube saßen und uns auf die Fäuste bissen, während in der Kammer nebenan fremde Männer Dinge mit unserer Mutter taten, die wir nicht verstanden, aber sie hat es für uns getan, wovon hätten wir denn leben sollen …«
Cunrat musste daran denken, wie seine Mutter nach dem Tod des Vaters im Klosterdorf ihr Auskommen gefunden hatte und wie glücklich er und sein Bruder trotz des Unglücks aufgewachsen waren.
»Es t… tut mir leid, Giovanni.«
Doch dem war sein Mitleid lästig, er winkte ab und bemerkte sarkastisch: »Du siehst, wir passen gut zusammen, Lucia und ich.«
Nach einem kräftigen Schluck Wein fuhr er fort: »Als ich alt genug war, bin ich fort gegangen aus Ulm, nach Venedig, und von da an ging es mir besser.«
»Und d… deine M… mutter? Und d… deine Geschwister?«
Giovanni zuckte die Achseln.
»Ich hab nur gehört, dass Mutter gestorben ist, an einer Seuche, schon vor ein paar Jahren. Meine Brüder und Schwestern sind in alle Welt verstreut. Ich war nicht mehr in Ulm seitdem.«
»Und L… lucia? W… warum ist sie h… hier?«
»Ihre Mutter ist im vorigen Winter am Fieber gestorben. Sie selbst hat die schöne Stimme von ihr geerbt und war zunächst Sängerin bei den Fahrenden. Dann hat sie wohl für kurze Zeit einen festen Verehrer gehabt, einen Kaufmann aus Ferrara, und sogar gehofft, dass er sie heiraten würde. Doch der hat Bankrott gemacht und sie dann einfach an Peter Rosshuser verkauft, dieser Schuft! Nun muss sie zumindest so lang hier bleiben und für ihn anschaffen, bis ihr Kaufpreis abgearbeitet ist. Außerdem müssen ihm die Frauen Mietzins und Geld für die teuren Kleider bezahlen.«
»W… wie hoch w… war denn ihr K… kaufpreis?«, fragte Cunrat vorsichtig nach.
Giovanni schaute ihn an. »100 Gulden. Sagt Rosshuser.«
Cunrat verschlug es die Sprache.
»D… d… das ist ja unglaublich v… viel!«, wagte er nach einer Weile zu sagen. Und er wusste, dass nicht jeder Gast einen Gulden für ein Stelldichein bezahlte, auch wenn es für eine ganze Nacht war. Der normale Preis betrug drei bis sechs Pfennige.
»Ja, mein Freund, und wenn sie es zu Rosshusers Bedingungen abarbeiten muss, dann wird sie eine alte Frau sein, ehe alles bezahlt ist. Aber das werde ich nicht zulassen!«
Margarethe blieb verschwunden, obwohl Cunrat beständig nach ihr Ausschau hielt und alle möglichen
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