In nur einer Nacht (Gay-Romance) (German Edition)
…“
„Nathan!“, erklang plötzlich eine weiche Frauenstimme.
Erschrocken wirbelten Nathan und der kleine Junge herum und auf beiden Gesichtern wandelte sich der Schreck in Freude.
„Mum … Mum“, rief der Junge und stürmte auf seine Mutter zu, die rasch in die Hocke ging und ihren Sohn liebevoll in die Arme schloss.
„Du sollst doch schlafen“, rügte sie ihn ohne wirklich böse zu sein.
„Aber ich wollte doch den Weihnachtsmann sehen“, protestierte er.
Der erwachsene Nathan blickte zuerst ungläubig, dann verstehend zwischen Mutter und Sohn und dem Geist hin und her. „Warum zeigst du mir das?“
Die geisterhafte Gestalt zuckte mit den Schultern, anschließend lächelte sie verschwörerisch.
„Los, raus mit der Sprache.“
„Kannst du dir die Frage nicht selbst beantworten?“ Ihr Lächeln wurde breiter und Nathan sichtlich ungeduldiger. „Wir sind in deiner Vergangenheit. Du siehst vor dir das schönste Weihnachtsfest, dass du jemals gefeiert hast.“
„Was für ein Quatsch.“ Verärgert winkte er ab, denn daran konnte er sich nach all den Jahren beim besten Willen nicht mehr erinnern. Trotzdem beobachtete er Mutter und Sohn.
Emily lief mit dem kleinen Jungen an der Hand zu einem Ohrensessel neben dem Kamin und nahm Platz. Der Kleine kletterte auf ihren Schoß und lehnte seinen Kopf zufrieden an ihre Brust. Sie nahm eine kuschelige Wolldecke und deckte sie beide damit zu. Kurz darauf hielt sie ein Märchenbuch in der Hand und schlug es auf.
„Was soll das?“, frage Nathan an niemand bestimmtes gewandt.
„Weißt du nicht mehr, deine Mutter hat dir damals die halbe Nacht eine Geschichte nach der anderen vorgelesen“, antwortete der Geist der vergangenen Weihnacht. „Sie hat solange gelesen, bis du eingeschlafen bist. Dann haben deine Eltern dich im Salon schlafen lassen und heimlich die Geschenke unter den Tannenbaum gestellt.“ Sie lächelte wieder.
„Ja und?“ Nathan sah sie misstrauisch an.
„Findest du das nicht schön?“
„Ehrlich gesagt finde ich es kindisch, und ich will jetzt viel lieber in mein Bett und schlafen“, gab er eiskalt zurück und wandte sich genervt von Mutter und Sohn ab. Doch dabei stach ihm ein wichtiges Detail ins Auge: seine Mutter. Sie war wunderschön, und er erinnerte sich noch gut daran, dass er sie von Klein auf für die gütigste und schönste Frau der Welt gehalten hatte.
„Wie mir scheint, ist dir wirklich nicht mehr zu helfen“, bedeutete der weibliche Geist brummig, was gar nicht richtig zu ihr passte.
Er dagegen setzte bereits zu einer schroffen Erwiderung an, aber ehe er sich versah, war der herrlich geschmückte Salon in Bennett Manor verschwunden und er fand sich im Wohnzimmer seiner Londoner Penthousewohnung wieder. Um ihn herum herrschte dieselbe gedrückte Dunkelheit wie zuvor. Im ersten Moment seufzte Nathan erleichtert, im zweiten bemerkte er, dass es hier ziemlich kahl und trostlos aussah. Es gab keinen festlich geschmückten Weihnachtsbaum, keine Kerzen brannten und keinerlei weihnachtliche Dekoration brachte den Raum zum Strahlen. Das Bild seines früheren Zuhauses hatte ihm besser gefallen, was ihn plötzlich auf eine Idee brachte.
Entschlossen wandte er sich um und wollte dem Geist sagen, sie sollte den Weihnachtsbaum von damals in sein Wohnzimmer zaubern, aber kaum hatte sich einmal im Kreis gedreht, merkte er mit einem seltsamen Bauchgefühl, er war wieder ganz alleine. Weit und breit sah er weder ein Leuchten noch den Hauch einer schemenhaften Gestalt.
„Klasse … ganz toll“, schimpfte er schnippisch und ließ sich rücklings aufs Sofa fallen. „Haut einfach ab und sagt nicht mal Wiedersehen. Was für Manieren.“
Kaum waren die Worte ausgesprochen, tauchte wie aus dem Nichts eine durchscheinende Gestalt auf. Sie verdichtete sich mit jedem Atemzug, bis sie zu erkennen war. In der Erwartung der Geist der vergangenen Weihnacht kehre zurück, sprang er auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Ist dir endlich eingefallen, dass du etwas verge-" Er brach ab und starrte mit offenem Mund auf die Gestalt. Vor Entsetzen wäre er beinahe rückwärts gestolpert, konnte sich jedoch im letzten Moment davor bewahren.
„So nett wurde ich noch nie begrüßt“, sagte eine männliche Stimme spitz und die Gestalt zupfte eine olivegrüne Samtrobe zurecht. Die Stimme gehörte einem großen, schlanken jungen Mann mit schwarzen Haaren und dunklen Augen. In seinem Gesicht zeichnete sich ein breites Lächeln ab. In der
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