In nur einer Nacht (Gay-Romance) (German Edition)
legte ihre Handarbeit zur Seite. „Vor einigen Jahren, als Emily noch lebte und ihr beiden zusammen in der Schule wart, habe ich ihr ein Versprechen gegeben. Falls sie mal nicht mehr wäre und er Hilfe bräuchte, dass ich sie ihm gewähre.“
„Du glaubst doch nicht dran …“ Aaron wurde zorniger, „ … dass er deine Hilfe annehmen würde, oder? Ihr kennt euch nicht einmal persönlich, du hast nur die paar Bilder von ihm. Und vergiss nicht, er ist sogar zu geizig mir einen Vorschuss zu zahlen. Hatte ihn heute sogar gefragt, ob ich früher gehen könnte, denn ich wollte mit Leon noch vor Weihnachten ins Krankenhaus, damit der Arzt ein stärkeres Schmerzmittel verschreibt.“
Daraufhin seufzten beide und schwiegen.
Nathan stand da und wollte seinen Ohren nicht trauen. Die beiden sprachen eindeutig von ihm und das nicht gerade nett. Er hatte nicht einmal von dem Versprechen seiner Tante gegenüber seiner Mutter gewusst, aber was hätte sie schon für ihn tun können. Wohl eher hätte er ihr helfen müssen, wenn er sich so umschaute. Gedanklich gab er jedoch Aaron in einem Punkt zähneknirschend recht: Zum Tod seines nie gekannten Onkels und seiner unbekannten Cousine hätte er wenigstens eine Kondolenz schicken können. Nun, vielleicht nächstes Jahr zu Weihnachten eine Weihnachtskarte, wenn er …
„Mrs Everlight war so freundlich und hat mir zehn Pfund geliehen“, unterbrach Isabell Nathans Überlegungen. Neugierig sah er sie an und wechselte dann zwischen ihr und Aaron hin und her. Den Geist neben sich vergaß er völlig. „Ich war heute Nachmittag noch schnell in der Apotheke, während Mrs Everlights Enkelin auf Leon aufpasste.“
„Wie geht es ihm?“, erkundigte sich Aaron besorgt und stand auf.
„Den Umständen entsprechend“, antwortete sie traurig. „Sein Fieber ist ein wenig runter gegangen, ansonsten hat sich nichts getan. Das normale Schmerzmittel schlägt nicht mehr so gut an und die restliche Medizin reicht höchstens bis ins neue Jahr.“
Aaron nickte verstehend. Er lief in Richtung Flur und deutete damit an, dass er nach seinem kranken Patensohn sehen wollte. Leon war der zehnjährige Sohn seiner verstorbenen besten Freundin Leah, die vor fünf Jahren bei einem tragischen Hausbrand ums Leben gekommen war. Leah war die einzige Tochter von Isabell und Theodor gewesen. Sie und Aaron hatten sechs Jahre Altersunterschied getrennt, aber beide hatten sich immer gut verstanden, fast schon wie Bruder und Schwester. Daher lag es auch nahe, dass sie nach der Geburt ihres unehelichen Sohnes Aaron als Patenonkel wählte.
Als kurz nach Leahs Tod auch noch ihr Vater starb, war er kurzerhand bei Isabell und seinem Patenkind eingezogen.
„Hoffentlich wird es nicht unser letztes gemeinsames Weihnachtsfest“, flüsterte er mit belegter Stimme und schluckte merklich. „Der ewige Egoist lässt mich für meinen eh viel zu mickrigen Lohn auch noch Überstunden schieben.“ Anschließend schlich er leise auf eine Tür zu, die er vorsichtig öffnete und im Zimmer verschwand.
Nathan und der Geist der gegenwärtigen Weihnacht waren ihm dicht auf den Fersen. Aus einem unerfindlichen Grund musste Nathan bei dem eben Gehörten gegen einen Kloß im Hals ankämpfen. Ihm wurde bewusst: Er befand sich im Haus seiner letzten noch lebenden Verwandten, Tante Isabell und seinem Großcousin Leon. Was er jedoch über den Jungen erfahren hatte, gefiel ihm nicht. Sollten Kinder an Weihnachten nicht fröhlich sein, herumtoben, ihre neusten Spielzeuge auspacken und spielen?
Wieso war Leon krank?
Warum brauchte er Schmerzmittel?
„Weil er vielleicht bald sterben wird“, antwortete der Geist mit trauriger Stimme auf Nathans letzten Gedanken.
Der Blonde zuckte zusammen, war aber nicht überrascht, eine Antwort auf seine unausgesprochenen Fragen zu bekommen. Er seufzte, dann presste er bedrückt heraus: „Warum?“, begleitet von einem Stich im Magen.
„Der Junge hat Leukämie. Bis heute hat keine Behandlung angeschlagen. Allerdings gibt es da eine Sache …“, der Geist brach ab und lief ohne weitere Worte auf die geöffnete Kinderzimmertür zu.
„Was denn?“, wollte Nathan wissen und folgte ihm. „Welche Sache?“
Eine Erwiderung blieb aus. Enttäuscht und ein wenig säuerlich sah er sich schließlich im Zimmer um. Eine kleine Lampe auf dem Nachttisch verströmte sanftes Licht und beschien etliche Regale mit Spielsachen und Kinderbüchern. Auf einem Schreibtisch lagen unzählige gemalte Bilder und der Boden
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