In nur einer Nacht (Gay-Romance) (German Edition)
flüsterte, weil er die Frau nicht aufwecken wollte.
„Du weißt es nicht?“
„Würde ich sonst fragen?“, gab er schroff zurück.
Ob dem Geist der Tonfall gefiel oder nicht, ließ er sich nicht anmerken. Stattdessen deutete er mit der Hand auf die schlafende Frau. „Das ist deine Tante Isabell und wir befinden uns in ihrem Haus. Außerdem kann dich niemand sehen noch hören.“
Erstaunt schaute Nathan sich um, sagte aber nichts zu dieser Offenbarung. Vielmehr war er auf einmal sehr interessiert. Erst jetzt entdeckte er die vielen Bilderrahmen an der Wand, die alle möglichen Leute zeigten, darunter auch zwei Bilder seiner Mutter. Eines war das Hochzeitsfoto seiner Eltern, auf dem anderen war Emily Bennett mit ihrer Schwester zu sehen. Eigentlich kannte er seine Tante Isabell nur vom Namen her. Er hatte sie niemals in seinem Leben getroffen, was allerdings nicht an seinen Eltern, sondern ganz alleine an ihm gelegen hatte. Vor dem Tod seiner Mutter waren sie und Isabell immer wieder zusammengekommen, aber er selbst hatte niemals das Bedürfnis verspürt, seine verarmte Verwandtschaft besuchen zu wollen. Er erinnerte sich dafür umso besser an die damaligen Gespräche in der Familie zurück. Isabell hatte aus Liebe einen einfachen Bauarbeiter geheiratet und war dadurch bei seinen Großeltern in Ungnade gefallen.
Aber wieso bin ich hier? , fragte er sich im Stillen.
Die Antwort folgte auf dem Fuß. Ein hübscher schwarzhaariger Mann tauchte im Wohnzimmer auf. Er trug eine dicke Winterjacke. Seine Haare waren voller Schnee. Als er die Jacke auszog und auf einen Stuhl legte, kam ein grauer Pullover zum Vorschein. Darunter lugte der Kragen eines weißen Hemdes hervor und er trug schwarze Stoffhose.
Nathan schnappte laut nach Luft und traute seinen Augen kaum. Nicht einmal drei Meter entfernt stand sein ehemaliger Mitschüler und inzwischen fleißigster Mitarbeiter: Aaron Livsey.
Mit Schwung pfefferte er seinen Rucksack in die Ecke, wobei er mitten durch Nathan hindurchflog. Wäre er stofflich gewesen, hätte ihn damit geradewegs von den Beinen gefegt.
„Du Idiot!“, zischte Nathan und zeigte Aaron einen Vogel.
Der Schwarzhaarige stapfte wütend zum Sofa und setzte sich. Im selben Augenblick erwachte Isabell und gähnte herzhaft, wobei ihr das Strickzeug samt Nadeln auf den Boden fiel.
„Oh … du bist ja noch gar nicht im Bett“, sagte Aaron überflüssigerweise und eilte zu ihr hinüber. Er klaubte das Strickzeug auf.
„Wie spät ist es denn?“, fragte sie schläfrig und bedankte sich mit einem Lächeln für die Hilfe.
„Kurz nach ein Uhr“, fluchte er und marschierte schnurstracks in die Küche, wo er ein paar Minuten später mit einem Käsesandwich und einer Colaflasche zurückkam. Sein Weg führte auf das Sofa, wo er versuchte, es sich gemütlich zu machen.
„Ich habe auf dich gewartet und bin wohl eingeschlafen.“ Seufzend fing Isabell an zu stricken. „Es tut mir leid, Aaron, aber jetzt ist das Essen schon kalt.“
„Hab’s gesehen“, antwortete er und biss herzhaft ins Sandwich. Er kaute hastig und nahm anschließend einen großen Schluck aus der Flasche. „Hab das Essen eben noch in dem Kühlschrank gestellt.“
„Danke dir, mein Lieber.“ Sie lächelte und wirkte sehr stolz auf ihn. „Lass mich raten …“, wechselte sie das Thema und strickte dabei weiter, „… er hat dir wieder eine Menge Arbeit aufgehalst.“
„Nicht nur das“, schnaubte Aaron und verschlang den Rest seines Käsesandwichs im Eiltempo. „Er wollte unbedingt die Abschlussbilanz für dieses Jahr bis nach Weihnachten. Bin erst vor einer Stunde fertig geworden.“ Entrüstet schüttelte er den Kopf. „Dieser Arsch ist natürlich wie immer pünktlich gegangen und vergnügt sich gerade mit seinen Leuten in irgendeiner Nobeldisco.“
„ Aaron!“ Isabell sah auf. „Du sollst doch nicht so über ihn reden.“
Ein klein wenig beschämt senkte er den Kopf. „Tut mir leid, aber es stimmt doch.“ Er hob den Blick. „Ich weiß ja, dass er dein Neffe ist und seinem Vater habe ich sogar meinen Job zu verdanken, aber hat er dich jemals besucht? Hat er dir einmal einen Brief geschrieben oder eine Karte zum Geburtstag oder Weihnachten geschickt? Ich bin mir nicht mal sicher, ob er etwas von Leon weiß. Nicht mal zu Leahs oder Theodors Beerdigung hat er dir geschrieben. Daher kann ich nicht verstehen, warum du ihn überhaupt in Schutz nimmst.“
„Ich nehm’ ihn nicht in Schutz“, erwiderte Isabell und
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