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In Sachen Kain und Abel. Neue Satiren.

In Sachen Kain und Abel. Neue Satiren.

Titel: In Sachen Kain und Abel. Neue Satiren.
Autoren: Ephraim Kishon
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Schaltjahre ausgenommen. 227 Tage steht man da, den Hörer in der Hand, und wartet darauf, daß Jerusalem frei wird.  
    »Haben Sie morgen Zeit?«  
    »Nein, ich muß Jerusalem anrufen!«  
    Natürlich gilt das nur für die Tagesstunden. Wenn es Mitternacht schlägt, läßt das Besetztzeichen nach, und zwischen drei und fünf Uhr am Morgen besteht sogar einige Aussicht, daß man durchkommt. Leider wünschen die Einwohner Jerusalems nicht zwischen drei und fünf angerufen zu werden, sondern bei Tag. Und bei Tag ist 02 besetzt.
    Manchmal genügt schon der bloße Gedanke an Jerusalem, um beim Abheben des Hörers das Besetztzeichen hervorzulocken. Darum ist es ratsam, an Rechovot oder an Haifa zu denken, bevor man wählt, obwohl auch diese beiden in der Regel besetzt sind. Selbst wenn es einem gelingt, sich an der 0 vorbeizuschmuggeln - nach der 2 ertönt unweigerlich Jerusalems satanisches Pip-Pip. Sollte es aber auch nach der 2 im Hörer ruhig bleiben, dann darf man mit Sicherheit annehmen, daß eine Störung vorliegt.
    Vor ein paar Tagen, als ich gerade mit erquickender und gesundheitsfördernder Gartenarbeit beschäftigt war, kam mein Sohn Amir herbeigestürzt:  
    »Komm schnell!« rief das liebe Kind, zitternd vor Aufregung, »Mammi hat Jerusalem!«
    Es war eine richtige Sensation. Die beste Ehefrau von allen war über 02 hinausgekommen, hatte durch tiefe, tapfere Atemzüge den drohenden Herzanfall hintenangehalten, hatte die Drehscheibe weiterbetätigt und die Nummer ihrer Tante in Jerusalem gewählt. Kurz darauf war die Verbindung mit dem Wohlfahrtsministerium hergestellt. Unser Jubel kannte keine Grenzen. Wir übergaben der Telefonistin des Ministeriums eine vollständige Liste unserer in Jerusalem wohnhaften Freunde und baten sie, diese anzurufen und sie zu bitten, uns in Tel Aviv anzurufen. Denn von Jerusalem bekommt man Verbindung nach Tel Aviv. Von Tel Aviv nach Jerusalem nicht.
    Die israelischen Eisenbahnen machen sich diesen Zustand neuerdings mit Reklameplakaten zunutze: »Sparen Sie Ihre Zeit!« heißt es da. »Wählen Sie nicht 02! Wählen Sie die Zugverbindung nach Jerusalem!«
    Die Jerusalemer Telefonzentrale ist allerdings ein wenig veraltet und arbeitet noch nach dem ottomanischen System, mit Handkurbel, lautem Zuruf und notfalls Boten auf Fahrrädern.
    Schon Theodor Herzl soll sich vergebens bemüht haben, eine Verbindung mit dem türkischen Gouverneur in Jerusalem herzustellen. Nach einer Woche war sein Muskelkrampf im rechten Arm so schmerzhaft geworden, daß er aufhören mußte. Damals sprach er die historischen Worte:
    »Meine rechte Hand verdorre, wenn ich jemals dein vergäße,
    o Jerusalem!«
    Unser Minister für öffentliches Verkehrswesen weiß über dieses Problem natürlich Bescheid. Erbitterte Bürger riefen ihn immer wieder an, um ihm zu sagen, was sie von ihm hielten - bis er sich eines Tages entschloß, nach Jerusalem zu übersiedeln. Seither hat er Ruhe.
    Er gibt jedoch freimütig zu, daß die Lage nicht eben rosig ist. Die Zahl der Telefonkabel zwischen Tel Aviv und Jerusalem beläuft sich auf 40. Zur klaglosen Aufrechterhaltung des Verkehrs wären etwa 40 000 vonnöten. Die Errichtung eines neuen Schaltwerks auf dem Ölberg ist geplant. Bis zur Inbetriebnahme empfiehlt der Minister die gute, alte Autosuggestion. Jeder Teilnehmer soll im Bad oder während der Morgengymnastik mindestens zehnmal vor sich hinsagen:  
    »Null-Zwei ist frei, Null-zwei ist frei...« Ich möchte dieses Klagelied nicht vorübergehen lassen, ohne es mit einem kleinen Inserat abzuschließen:
    GESUCHT WAHLHELFER FÜR VORWAHL 02
    Telefonteilnehmer in Tel Aviv sucht dringend Amateurmasochisten, der bereit ist, zwischen 8 und 13 Uhr Jerusalem anzurufen. Gute Verpflegung garantiert. Arzt im Hause.

Wer die Durchwahl hat, hat die Qual

    Ferngespräche mit dem Ausland waren lange Zeit eines der beliebtesten Geduldspiele in Israel. Man wählte die Nummer 18 und wurde sofort mit einer Stimme verbunden, die sich in mehreren Sprachen der höflichen Mitteilung befliß, daß leider alle Linien besetzt wären, bitte seien Sie nicht ungehalten, wenn Sie noch ein wenig warten müssen, danke. Und nicht selten geschah es, daß man von einer schmerzhaften Fingerlähmung befallen wurde, bevor man endlich Chikago erreicht hatte. Da sich jedoch der Fortschritt der Technik nicht aufhalten läßt, können wir seit kurzem nach allen überseeischen Ländern selbst durchwählen. Seither wächst unter den israelischen
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