In Satans Hand
war seit Gabriels Auftritt spurlos verschwunden. Obwohl es denkbar war, glaubte Landru nicht daran, daß es in den magischen Gewalten umgekommen war.
Dieses Kind, dachte er, ist die Zukunft.
Daran klammerte er sich. Inmitten von pechfarbener Schwärze. Inmitten von kalter Einsamkeit.
Plötzlich wußte er, daß er sich schon einmal so gefühlt hatte wie heute. Und auch damals hatte er die lähmenden Gefühle überwunden. Damals, am Anfang der Zeit, nachdem er begriffen hatte, wer hinter dem Kelchdiebstahl und dem Vernichtungsfeldzug gegen die Alte Rasse steckte .
Ich werde es wieder schaffen! dachte Landru. Irgendwo dort draußen irrt jetzt ein Mädchen umher, das den Funken in sich trägt, der alles zum Besseren wenden kann. Wenn ich jetzt noch den Kelch - Der Gedanke gerann.
Draußen zuckte es wie Blitze durch die Schwärze. Rotglühende Strahlen, die, wohin sie auch trafen, Umrisse sichtbar werden ließen, Dinge aus der Unsichtbarkeit wieder herausrissen .
Landru stand auf und trat ans Fenster, durch das er den Vorgang beobachtet hatte.
Die Finsternis schien in Bewegung geraten zu sein wie ein Mahlstrom. Und rasend schnell gewannen die Plätze der Stadt, wo das verdorben wirkende Licht auftraf und Auren wob, an Zahl.
Landru merkte, wie schmerzhaft es war, auf die leuchtenden Ob -jekte zu blicken. Wie durch und durch ihm dieses Zwielicht ging ...
Durch das spaltweit offenstehende Fenster, vor dem er stand, hörte er Laute, die von der Straße herauftönten. Nach Anums Versiegelung schienen nun auch die Sperren verschwunden zu sein, die Gabriel errichtet hatte.
Landru lauschte eine Weile dem Wolfsknurren und -heulen, das zu ihm heraufwehte. Zwischen den Häuserfronten sah er schattenhafte Bewegung. Erschütternde Schreie drangen zu ihm vor. Die Schreie Sterbender.
Was genau ging da draußen vor?
War das Heer erschienen, zu dessen Anführerin Gabriel Nona erkoren hatte? Aber woher so plötzlich? Sie hatten sich aus aller Herren Länder nach Jerusalem wenden müssen. Tage oder Wochen der Reise wären notwendig gewesen, sie hier eintreffen zu lassen.
Oder, dachte Landru, hat Er sie geholt, wie er mir und den Archonten die letzte Wegstrecke verkürzte? Mit einem Fingerschnippen ...?
Wie viele mochten es sein, die seine Armee bildeten? Ein paar Hundert, ein paar Tausend ...?
Donnergetöse wie in einem Krieg flammte allenthalben in der Stadt auf.
(Und irgendwo irrt ein kleines Mädchen ...)
Landru wußte nicht, ob er Nona für immer verloren - an den Teufel verloren - hatte. In diesen Minuten bewegte ihn etwas anderes noch stärker als seine Gefährtenschaft mit der Werwölfin.
Vorhin hatte er sich kurz in einen Wolf verwandelt, jetzt - nachdem er den Fensterflügel weit aufgerissen hatte, wurde er zum geflügelten Tier, das sich hinaus in den Mahlstrom aus Licht und Schatten stürzte, vom Haus der Chaims floh und ...
... nicht weit kam.
Landru stellte abrupt den Schlag der Schwingen wieder ein.
Und dann fiel er. Vergaß das Mädchen, in dem er den Messias der Vampire erkannt zu haben glaubte. Fand nichts, absolut nichts dabei, sich irgendwo dort unten sämtliche Knochen auf betonhartem Pflaster zu brechen ...
*
Momente lang fühlte Lilith sich blind und taub von dem Schuß, der unmittelbar vor ihr abgefeuert worden war. Die Waffe hatte sich in der Hand des Mannes aufgebäumt, und Lilith war von der Wucht erst zurück und dann zu Boden geworfen worden.
Noch im Liegen transformierte sie sich zurück in menschliche Gestalt und rappelte sich auf, den Kopf schüttelnd, um die Benommenheit loszuwerden.
Der Selbstmörder lag drei, vier Schritte entfernt, den Revolverlauf noch an den Lippen. Sein Gesicht war unversehrt, doch Lilith mußte nicht genauer hinsehen, um zu wissen, daß es nicht mehr als eine Maske war. Was sich dahinter befunden hatte, war von der Kugel in die Nacht gesprengt worden.
Warum hatte der Mann das getan?
Diese Frage beschäftigte Lilith unablässig.
Hatte ihn der Angriff des Werwolfs derart schockiert, daß sein Verstand daran zerbrochen war? Hatte er in seiner Verwirrung nicht mehr mitbekommen, daß Lilith das Monster besiegt hatte, und einen leichteren Tod gesucht als den durch die Zähne und Pranken der Bestie?
Diese Möglichkeit wollte ihr nicht einleuchten, obwohl es die einzig denkbare schien.
Das Ekelgefühl unterdrückend, trat Lilith schließlich doch näher an den Toten heran, um ihn in Augenschein zu nehmen. Sein Kopf lag in einer immer größer werdenden
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