In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught
geschieden?«
Jenna schüttelte den Kopf. »Was soll das? Glauben Sie, es läge daran, dass ich von seinen pädophilen Neigungen erfahren habe?«
»Haben Sie das?«
»Er ist der Pate meiner Tochter. Er kommt zum Babysitten unserer Kinder zu uns nach Hause. Die Kinder nennen ihn Onkel Dan.«
»Stimmt. Das ist alles ziemlich außergewöhnlich. Also noch einmal, warum haben Sie beide sich scheiden lassen?«
»Es beruhte auf Gegenseitigkeit.«
»Mhm. Haben Sie sich einfach ›entliebt‹?«
Jenna nahm sich einen Moment Zeit zum Überlegen. »Eigentlich nicht.«
»Warum dann? Hören Sie, ich weiß, dass Sie sich das nicht eingestehen wollen, aber vielleicht haben Sie gespürt, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte.«
»Nicht in diesem Sinne.«
»In welchem Sinne denn?«
»Es gab da etwas in Dan, an das ich einfach nicht herankam. Und bevor Sie jetzt das Naheliegende sagen, nein, es lag nicht daran, dass er sexuell von der Norm abweichendes Verhalten gezeigt hat. Dan hatte eine sehr schwere Kindheit durchgemacht. Er war Waise und wurde von einer Pflegefamilie zur nächsten weitergereicht …«
Ihre Stimme verklang. Wieder verkniff Wendy sich die naheliegenden Erklärungen: Waise, Pflegefamilien, womöglich Missbrauch oder Misshandlung. Wenn man sich die Vergangenheit von Pädophilen genauer ansah, fand man dort fast immer irgendetwas in dieser Art. Sie wartete.
»Ich weiß, was Sie denken. Aber es stimmt nicht.«
»Warum? Weil Sie den Mann so gut kannten?«
»Ja. Aber nicht nur deshalb.«
»Warum dann?«
»Es war immer so … Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Irgendwas ist an der Uni mit ihm passiert. Sie wissen bestimmt, dass er in Princeton war, oder?«
»Ja.«
»Der arme Waise, der hart gearbeitet und es so geschafft hat, auf eine berühmte Ivy-League-Universität zu kommen.«
»Ja. Und weiter?«
Jenna stockte und sah sie an.
»Was ist?«
»Sie sind ihm etwas schuldig.«
Wendy sagte nichts.
»Ganz egal, was Sie glauben«, sagte Jenna, »ganz egal, was hier Wahrheit ist und was nicht, eins ist sicher.«
»Und zwar?«
»Sie sind dafür verantwortlich, dass er getötet wurde.«
Schweigen.
»Vielleicht haben Sie noch mehr getan. Sein Anwalt hat Sie
vor Gericht bloßgestellt. Dan konnte das Gericht als freier Mann verlassen. Das wird Sie geärgert haben.«
»Sie begeben sich gerade auf sehr dünnes Eis, Jenna.«
»Warum? Sie waren wütend. Sie hatten den Eindruck, das Gericht hätte einen Fehler gemacht. Sie treffen sich mit Dan, und plötzlich, durch einen unglaublichen Zufall, erscheint Ed Grayson dort. Irgendetwas müssen Sie damit zu tun haben - zumindest sind Sie eine Komplizin. Oder man hat Ihnen eine Falle gestellt.«
Sie stockte. Wendy wartete. Dann fragte sie: »Sie sagen jetzt nicht ›Genau wie Dan‹, oder?«
Jenna zuckte die Achseln. »Ist schon ein seltsamer Zufall.«
»Ich glaube, Sie sollten jetzt besser gehen, Jenna.«
»Da haben Sie wohl Recht.«
Die beiden Frauen gingen zur Tür. Jenna sagte: »Eine Frage hätte ich aber noch.«
»Und die lautet?«
»Dan hat Ihnen gesagt, wo er war, oder? Das muss er ja, sonst wären Sie ja schließlich nicht zur Wohnwagensiedlung gekommen.«
»Richtig.«
»Haben Sie das Ed Grayson erzählt?«
»Nein.«
»Wie kommt es dann, dass auch er da war - zur gleichen Zeit wie Sie?«
Wendy zögerte, dann sagte sie: »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich ist er mir gefolgt.«
»Woher wusste er, dass er das tun sollte?«
Wendy hatte keine Ahnung. Und sie erinnerte sich daran, auf den einsamen Straßen mehrmals in den Rückspiegel geblickt zu haben. Da hatte sie kein anderes Auto gesehen.
Wie hatte Ed Grayson Dan Mercer gefunden?
»Sehen Sie. Die plausibelste Antwort ist, dass Sie ihm geholfen haben.«
»Habe ich aber nicht.«
»Okay. Und Sie würden sich wahrscheinlich echt beschissen fühlen«, sagte Jenna, »wenn Ihnen das niemand glauben würde, oder?«
Sie drehte sich um und ging. Ihre Frage hing weiter im Raum. Wendy sah ihr nach, als sie wegfuhr. Dann ging sie zurück zum Haus, zuckte aber plötzlich zusammen.
Ihr Autoreifen. Der, der angeblich ziemlich platt sein sollte. Hatte Ed Grayson das nicht gesagt?
Sie lief zur Einfahrt. Der Reifen war in Ordnung. Sie bückte sich und fuhr mit der Hand die hintere Stoßstange entlang. Fingerabdrücke, dachte sie. In der Eile hatte sie nicht daran gedacht. Sie zog die Hand zurück, beugte sich tief hinunter und sah nach.
Nichts.
Sie hatte keine Wahl. Sie legte sich wie ein
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